Sunday, 4 May 2025

Trees, Time, Architecture!

Diesem Band liegt die Ausstellung Trees, Time, Architecture im Architekturmuseum der Technischen Universität München zugrunde, jedoch vom Schema der Ausstellung hie und da abweicht. "Das Zusammenspiel verschiedener Genres – Lebensbericht, Werkschau, Fotodokumentation und wissenschaftliche Analyse, um nur einige zu nennen – und das Einbringen der Ich-Perspektive in dieses Buch sollen dazu beitragen, den Baum als Kulturwesen, als Haupt- und Leitfigur verschiedener Berufe und Wissenschaften zur Geltung zu bringen."

Wir leben in hektischen Zeiten, alles muss schnell gehen. Bäume machen da nicht mit, haben ihren eigenen Lebensrhythmus. Sie wachsen extrem langsam. "Sie sprengen die Massstäbe des menschlichen Lebens und ihre Zeit steht im Widerspruch zu einem sich ständig beschleunigenden, technologischen und ökologischen Wandel." Kein Wunder, ist unser Verhältnis zu ihnen ziemlich, nun ja, komplex. "Wir haben sie vergöttert, uns vor ihnen gefürchtet unsere Häuser aus ihnen gebaut, sie aus unseren Städten verbannt, Hochhäuser mit ihnen geschmückt und schon vor Jahrhunderten Tausende Quadratkilometer grosse Wälder vernichtet.", schreiben Ferdinand Ludwig und Kristina Pujkilovic in ihrem Beitrag "Baum, Zeit, Architektur!"

Von Architektur und Bauen verstehe ich nichts, weshalb ich dieses Werk auch nicht angemessen zu würdigen imstande bin. Und so beschränke ich mich auf das, was ich glaube beurteilen zu können (mit der dokumentarischen Fotografie habe ich mich eingehend beschäftigt): Die fotografische Reise durch die Xylella-Epidemie in Apulien, die Valentina Piccinni und Jean-Marc Caimi unternommen haben.

Sieben Jahre lang haben die beiden mit  Amerkennung und Preisen Überhäuften (ob dies eine Auszeichnung ist, sei einmal dahingestellt; meines Erachtens ist offizielle Anerkennung, wie James Agee in "Let Us Now Praise Famous Men" ausführte, ein fatales Missverständnis, ja, der Todeskuss.) die Schadwirkungen des bakteriellen Krankheitserregers "Xylella fastidiosa" dokumentiert. "Xylella bewirkt das Olive Quick Decline Syndrome, das befallene Bäume schnell absterben lässt und die gesamte Olivenwirtschaft in der Region gefährdet."

Es versteht sich: Bilder für sich genommen sagen uns in aller Regel nicht viel. Ein Bild kann uns nur dann mehr als tausend Worte sagen, wenn wir wissen, was wir vor Augen haben, denn, wie schon Goethe sagte: Wir können nur er-kennen, was wir kennen. Bilder brauchen also Worte bzw. erklärenden Text, um verstanden werden zu können. Nein, nicht alle Bilder, doch die dokumentarischen. 

Die Texte, die die ausgezeichneten Aufnahmen von Valentina Piccinni und Jean-Marc Caimi begleiten sind höchst informativ und umfassen so recht eigentlich alles Aspekte, die diese Bilder verständlich machen, ja mehr, ihnen eine potentielle Wirkmächtigkeit verleihen, die sie ohne diese Texte definitiv nicht hätten.

Das Projekt begann 2016. Der Schädling hatte sich in der Gegend um Gallipoli gerade festgesetzt und breitete sich, begünstigt durch Klimawandel und Pestizide, schnell aus. Die Olivenhaine lagen im Sterben, die Lebensgrundlage der Bauernfamilien war dabei zu verschwinden. Wie immer, wenn Menschen nicht verstehen, was vor sich geht, sind Verschwörungstheorien nicht weit. Hilfreicher ist hingegen (wie Valentina Piccinni und Jean-Marc Caimi zeigen) die wissenschaftliche Herangehensweise.

Was dieses Fotografenduo hier vorlegt, ist Dokumentarfotografie vom Feinsten. Eindrücklich demonstrieren sie nicht nur, was sie vorgefunden haben, sondern auch, wie sie bei ihrem Projekt vorgegangen sind, was für Mittel sie eingesetzt, was sie selber empfunden haben. Es ist diese Mischung, die ich persönlich überaus überzeugend finde, denn hier zählt der Prozess (sie wurden von den Leuten vor Ort in deren Leben aufgenommen) genauso wie das Resultat (die Bilder mit Text).

Andjelka Badnjar, Kristina Pujkilovic, Ferdinand Ludwig, Andres Lepik (Hrsg.)
Trees, Time, Architecture
Entwerfen im Wandel
Park Books, Zürich 2025

Wednesday, 30 April 2025

My Best Shots

Swiss photographer Rene Burri once said that his best shots only exist in his head. The same goes for me. Let me give you two. With the help of my words your mind will probably conjure up somewhat similar scenes.

The first one I did not take (for I had no camera at hand) was on a dirt road up in the mountains surroundig Santa Cruz do Sul. Ricardo, the owner of the school where I then taught, was slowly manoevring the van down a steep gravel road when all of a sudden an old woman carrying wooden branches on her hunched back appeared in the middle of the road. Without any haste she veered to the side, she didn't look up but concentrated on her path. To me, this was a scene from another century. How could she live up there? I wondered. Yet what stayed with me most was that she payed no attention to us, she was dimply doing what she was doing and that was it.

The second shot I did not take was in Lat Krabang. My hotelroom had a view on the highway. Underneath the highway was a river. Every time I left the hotel, a group of ducks in a well-formed row crossed the street in order to drink some water. After that they returned in the same formation home. It was a remarkably organised procession that not only fascinated me but also a police officer on a motor bike who stopped, took out his handy and made the picture that I had wanted to make. Had I had the mental presence, I would have photographed the photographing police officer on his bike.

Sunday, 27 April 2025

Wie die Welt denkt

Der 1968 geborene Brite Julian Baggini behauptet in der Einleitung zu Wie die Welt denkt. Eine globale Geschichte der Philosophie, dass Philosophie wichtig sei (was angesichts der Tatsache, dass er studierter Philosoph ist, wenig überrascht), auch wenn der Durchschnittsmensch keine grosse Ahnung vom tieferen Sinn der Konzepte, die sein Leben informieren (die Harmonie bei den Chinesen oder die individuelle Freiheit bei den Amerikanern und Europäern) hat bzw. zu haben braucht. Doch ebenso gilt: "Dass Pawel in Krakau und Priti in Delji aufgewachsen ist, erklärt besser, warum Pawel an den auferstandenen Christus und Priti ans Karma glaubt, als jede theologische Begründung, die die beiden liefern könnten."

Wie die Welt denkt. Eine globale Geschichte der Philosophie setzt sich mit den Ideen auseinander, die unser Dasein prägen. Da Julian Baggini auch journalistisch unterwegs ist und damit einen Sinn fürs Alltägliche hat, ist dafür gesorgt, dass er sich nicht in Sphären verliert, in denen allein die intellektuelle Überheblichkeit herrscht. Dazu kommt seine vom Journalismus inspirierte Herangehensweise: Er hat für dieses Buch zahllose Gespräche mit Philosophinnen und Philosophen aus aller Welt geführt.

Die Tatsache, dass die schriftliche Philosophie in China, Indien und Griechenland in etwa zu gleichen Zeit, doch unabhängig voneinander entstanden ist (um 550 vor Christus), ist einerseits ein Rätsel, und legt andererseits die Vermutung nahe, wir Menschen verfügten wohl über mehr Gemeinsamkeiten als wir gemeinhin annehmen. Dass wir jedoch vor allem die Unterschiede leben (wollen), zeigt Autor Baggini anhand der Tagung des Indian Philosophical Congress  (IPC), bei der "eine starke Gegnerschaft gegen die westliche Kultur und Philosophie zu spüren" war.

Da mir das einschlägige Wissen abgeht, um dieses Werk angemessen würdigen zu können, beschränke ich mich auf ein paar wenige Aspekte, die meine Aufmerksamkeit geweckt haben. Auch will ich auf den gerade erwähnten IPC kurz eingehen, da er divergierende Weltanschauungen offenbar machte.

"In Europa und Amerika würde ich erwarten, dass ein Eröffnungsvortrag eine These präsentiert, die in wesentlichen Hinsichten neu und originell ist. Auf dem IPC hingegen waren die Vorträge eher Ausweise für die Belesenheit der Referenten, deren Hauptaufgabe offenbar darin bestand, eine traditionelle philosophische Schule zu repräsentieren." Man könnte dies jetzt natürlich soziologisch, historisch, ethnologisch oder psychologisch erklären. Julian Baggini erläutert die philosophische Sichtweise. "Um zu erklären, wie Philosophie betrieben wird, muss man die Ideale erklären, die diese Praxis zu verkörpern sucht. Was aber sind die Ideale, die der Art und Weise zugrunde liegen, auf die die Philosophen in Indien ihre Ideen präsentieren?"

Die Probleme, die sich bei solchen Fragen stellen, sind sowohl theoretischer (Etwa: Wie trennt man die indische Philosophie von der durch Meditation erlangten mystischen Einsicht?) als auch praktischer Natur (Autoritäten werden in der ostasiatischen Welt nicht angezweifelt). Auch erweisen sich die Gespräche mit indischen Philosophen mitunter eher verwirrend als erhellend. So befragte er eine Referentin zum Verhältnis von Religion und Philosophie, die beide stark miteinander verwoben sind. "Wir können den Leuten ihre religiösen Gefühle nicht einfach wegnehmen", sagte sie, "Religion ist eine tief verwurzelte, unbewusste Aktivität."

Speziell angesprochen haben mich die Ausführungen zur Leere. "Das Konzept der Leere ist der westlichen Philosophie ebenso fremd wie es für viele ostasiatische Traditionen von zentraler Bedeutung ist." Im Westen richtet man seine Aufmerksamkeit auf Dinge, in Ostasien schenkt man auch stets dem Raum zwischen den Dingen Beachtung. Im Westen liegt der Fokus auf dem Individuum, in Ostasien auf den Beziehungen zwischen den Individuen. Die Leere wird in Ostasien nicht nur als Absenz, sondern auch als Präsenz verstanden.

Das erinnerte mich auch an einen Beitrag in der International Herald Tribune übers Glücklichsein. Ein Foto zeigte ein lachendes Kind in einer Gruppe von Menschen. Westler automatisch assoziierten damit Glück, Japaner hingegen nur dann, wenn auch die anderen auf dem Bild lachten.

Es gibt Stimmen (etwa Stephen Hawking), die behaupten, die Philosophie habe sich überlebt, da sie mit den modernen Entwicklungen der Wissenschaft nicht mitgehalten habe. Nur eben: Viele Fragen der Philosophie gehören gar nicht in den Bereich der Wissenschaft. Man denke an Probleme der Moral oder der politischen Theorie. Und auch "um die Welt so zu erklären, wie sie uns in der gelebten Erfahrung erscheint", genügt die Wissenschaft nicht, sind metaphysische Überlegungen vonnöten.

"Der Geist-Körper-Dualismus ist im Westen zu einer so selbstverständlichen Denkweise geworden, dass man leicht glauben könnte, er sei eine Universalie der Menschheit." Nur eben: Das ursprüngliche christliche Denken war ein ganz anderes, ging es doch davon aus, dass Seele und Körper nicht getrennt seien. Man denke etwa an die Auferstehung Christi. "Nicht die Seele Jesu ist in den Himmel aufgestiegen, sondern er selbst, einschliesslich seines Körpers." Solcher Erkenntnisse wegen lese ich Bücher!

"Ideen sind weder fest an bestimmte Kulturen gebunden noch sind sie frei schwebend, universell und ortlos. Wie Menschen werden sie von einer Kultur geformt, können aber reisen." Weshalb denn auch Julian Baggini die Einnahme multipler Perspektiven befürwortet. Das heisst jedoch nicht, dass es keine universellen Überzeugungen geben kann. So sind sich alle philosophischen Schulen einig, dass "das konventionelle Selbst, die Art und Weise, wie wir normalerweise von uns selbst und anderen denken, illusorisch ist. Dieses Selbst ist lediglich ein Strom von Erfahrungen, ein Bündel von Wahrnehmungen, das keine bleibende Essenz hat." Diese Erkenntnis wiederum wird von verschiedenen Schulen verschieden interpretiert. Für Genaueres greife man zu diesem exzellent geschriebenen Werk!

Fazit: Ein Buch voller spannender Überlegungen und Denkanstösse. Höchst anregend.

Julian Baggini
Wie die Welt denkt
Eine globale Geschichte der Philosophie
C.H. Beck, München 2025 

Wednesday, 23 April 2025

Hidden Propaganda

In 1962, Konrad Kellen wrote in the introduction to Jacques Ellul's Propaganda. The formation of men's attitudes that Ellul designated „intellectuals as virtually the most vulnerable of all to modern propaganda, for three reasons: (1) they absorb the largest amount of second-hand, unverifiable information; (2) they feel a compelling need to have an opinion on every important issue of our time, and thus easily succumb to opinions offered to them by propaganda on all such indigestible pieces of information; (3) they consider themselves capable of judging for themselves.“

Needless to say, the likely victims of propaganda are often also the unconscious producers of propaganda. Here’s an example that, not least for the sake of argument, equates journalists with intellectuals.

On Sunday, April 8, 2007, the Washington Post published an article called “White House Looked Past Alarms on Kerik” by its staff writers, John Solomon and Peter Baker. The article begins like this:

When former New York mayor Rudolph W. Giuliani urged President Bush to make Bernard B. Kerik the next secretary of homeland security, White House aides knew Kerik as the take-charge top cop from Sept. 11, 2001. But it did not take them long to compile an extensive dossier of damaging information about the would-be Cabinet officer.

They learned about questionable financial deals, an ethics violation, allegations of mismanagement and a top deputy prosecuted for corruption. Most disturbing, according to people close to the process, was Kerik's friendship with a businessman who was linked to organized crime. The businessman had told federal authorities that Kerik received gifts, including $165,000 in apartment renovations, from a New Jersey family with alleged Mafia ties.

The article then goes on describing in detail the financial deals, the initially positive reviews of the nomination by New York’s Democratic senators Clinton and Schumer and how, after again new revelations, Kerik’s nomination eventually collapsed.

***

At first glance, it seems that this is simply good reporting. Who did what to whom and when and where and all the rest of it. Moreover, it is well written and one comes away with the feeling of now knowing what there is to know about this case. So what is the problem then? The problem is that the necessary questions were never asked. And because they were never asked, one feels at the end of the article that the system works well for the one rotten apple was duly taken care of.

What do I mean by the necessary questions? This one for example: How was it possible that such a guy was heading the New York Police Department? To be fair, somebody must have asked at least a somewhat similar question for Solomon and Baker report that Giuliani told reporters that they had a right to question his judgment in putting Kerik in charge of the New York Police Department and recommending him to Bush. „I should have done a better job of investigating him, vetting him“, Giuliani said. „It's my responsibility, and I've learned from it.“

It goes without saying that this is a rather poor statement. But worse, it was not followed up. I mean: Mister Giuliani worked together with Kerik for many years, he is the godfather of the two youngest of Kerik’s children, Kerik sat on the board of Giuliani Capital Advisors – it is pretty obvious that they must know each other pretty well. Moreover, according to the Washington Post, “Kerik rose up through the ranks of city government when Giuliani was mayor, serving as chief of both prisons and commissioner of police. He moved to Giuliani's firm in 2002 and oversaw much of the firm's security work”. In other words, Mister Kerik was, despite his numerous flaws that must have been obvious for everybody around him, clearly never regarded unfit for his job. On the contrary: “He earned thirty (30) medals for meritorious and heroic service, including the department's Medal for Valor for his involvement in a gun battle in which his partner was shot and wounded in December 1997” as Wikipedia reports.

Really good reporting would have not only questioned but scrutinised how it was possible that this man could have had such a career; really good reporting would have exposed the flaws of the system that allowed such a man to rise up through the ranks of city government; really good reporting would have never accepted Giuliani’s response „I should have done a better job of investigating him, vetting him …It's my responsibility, and I've learned from“ but would have challenged him for it is hard to believe that he did not know what kind of man Kerik is. And what exactly did Giuliani really learn from all this? Apart from quickly removing Kerik from the board of his firm, that is? How come that journalists didn’t ask?

Right, flawed journalism then. Nothing extraordinary, happens every day. But what has this to do with propaganda? Journalism that almost exclusively concentrates on who did what to whom and when etc., journalism that personalises almost every issue, journalism that fails to investigate, analyse and expose the ‘How come? How is this possible?’ is no journalism at all, it is propaganda.

Sunday, 20 April 2025

Schattenseiten der Migration

Keinesfalls sollte man das Vorwort zu diesem Werk überblättern, denn darin kommt auch des Autors frustrierende Suche nach einem Verlag zur Sprache. Dabei wird auch eine Zensur deutlich (Angst vor shitstorms), die die üblichen Proklamationen zur Meinungsäusserungsfreiheit als das zeigen, was sie sind: Lippenbekenntnisse. Doch dahinter steckt mehr: Feigheit (die meist unter Sachzwang firmiert), die wohl verbreitetste Eigenschaft in der heutigen Zeit.

Von den gängigen politischen Schablonen ("links/rechts/grün/rot/gelb/schwarz/lila/lala/etc.") hält der forensische Psychiater mit dem Arbeitsschwerpunkt Gewalt- und Sexualstraften, Frank Urbaniok, so ziemlich gar nichts. Ihm geht es um "Intelligente Migration", und für diese sind "Ehrlichkeit" und "Differenzierung" fundamental. Und diese prägen auch dieses Buch. Übrigens: Ehrlichkeit bedeutet nicht, einfach zu sagen, was einem so durch den Kopf geht, sondern meint einen Vorgang, bei dem man aufrichtig prüft, ob etwas den Tatsachen entspricht, wahr oder falsch ist.

Viele Zahlen und Fakten findet man in diesem Buch. Es ist nicht einfach, aussagekräftige Zahlen zu erhalten. "Es wird einem nicht leicht gemacht und das ist kein Zufall." Der Grund ist meines Erachtens simpel: Transparenz ist generell unerwünscht; jedes politische System gründet wesentlich auf Intransparenz, denn damit sichert man nicht nur die Deutungshoheit und mithin die Macht, sondern ermöglicht auch die Schaffung von Arbeitsplätzen. In einem transparenten System wäre unter anderem offensichtlich, dass viele Bürokraten überflüssig sind. 

Dass die Ausländerkriminalität in Deutschland, Österreich und der Schweiz überrepräsentiert ist, ist Fakt. Zudem: "Es gibt klare Hinweise dafür, dass auch bei den Eingebürgerten mit einem inländischen Pass die ursprüngliche Herkunft aus bestimmten Ländern mit überproportionaler Kriminalität einhergeht. Das ist im deutschsprachigen Raum ein stark tabuisiertes Thema. In den offiziellen Statistiken gibt es dazu bislang keine Zahlen." Mit anderen Worten: Kriminalität hat auch mit der Kultur zu tun. Für mich, der ich einen Grossteil meines Lebens ausserhalb der Schweiz (ich bin Bürger von Zürich und Kerns/OW) verbracht habe und interessiert an fremden Kulturen bin (nachzulesen in Warum rennen hier alle so?), ist das überhaupt keine Frage, sondern selbstverständlich. Genauso, dass wir lebenslang von der Kultur, in der wir aufgewachsen sind, geprägt bleiben. So habe ich in fremden Kulturen vor allem herausgefunden, wie schweizerisch ich bin.

Übrigens: Nicht alle Kulturen werden polizeilich auffällig. Die Kleinkriminellen, für die ich während Jahren bei der Polizei gedolmetscht habe (Französisch, Spanisch, Englisch), kamen nie aus Westeuropa, Skandinavien, Asien, Nordamerika oder Australien.

Obwohl ich Frank Urbanioks Fakten- und Zahlen-Optimismus ("Zahlen, Fakten, Lösungen") nicht teile (wären Fakten wirklich so wesentlich, wäre der derzeitige amerikanische Präsident nie gewählt worden), finde ich es richtig und wichtig, sich an Fakten zu orientieren, denn sie sind mit das Beste, was wir haben. Dazu kommt: Ich traue seinen Zahlen, da ich ihn als der Sache verpflichtet wahrnehme. Andere hingegen sehen ihn als Rassisten. In Abwandlung des weisen Satzes aus dem Talmud (We do not see things as they are, we see things as we are.), lässt sich dazu nur sagen: Diese Leute beschreiben sich selber. 

Es zeichnet dieses Buch wesentlich aus, dass es Grundsätzliches adressiert. "Gründe für ideologische Filter" ist ein Kapitel überschrieben, worin dargelegt wird, dass unser stärkster Antrieb unser Überleben ist. Diesem Trieb ist alles untergeordnet. Auch unser Verstand, unser Denken. Wir wollen uns gut und sicher fühlen, sind stets auf der Suche nach Stabilität. Dabei unterstützt uns unser Verstand, der die Lebenskomplexität auf Ursache und Wirkung reduziert, so dass wir glauben, es müsse für alles einen Grund geben. Nur eben: Wir sind von der Evolution bestimmt, und diese, so Urbaniok, ist "ein enorm leistungsfähiges Prinzip", das keine Individualität vorsieht.

Die Buddhisten sind der Auffassung, wir würden in einer Illusion leben. Wenn man sich vor Augen hält, was uns das Hirn alles vormacht (Farben gibt es in Wirklichkeit nicht; mein Gedächtnis erinnert Ereignisse, die nie stattgefunden haben etc. etc.), so kann man sich dieser Sichtweise schwer verschliessen. Gehen wir nun mit Frank Urbaniok davon aus, dass es uns im Leben vorrangig darum geht, uns gut und sicher zu fühlen, so liegt es nahe, dass wir unbequeme Fakten am liebsten nicht zur Kenntnis nehmen. So weit, so nachvollziehbar, doch die Heftigkeit, mit der Fakten, die einem nicht genehm sind, bekämpft werden, ist definitiv kein Zeichen geistiger Gesundheit.

Schattenseiten der Migration setzt sich auch eingehend mit den Strategien der Desinformation auseinander, die zum Ziel hat, unbequeme Realitäten auszublenden. Die Wahrheit sei dem Menschen zumutbar, hat Ingeborg Bachmann einst behauptet. Daran sollten wir uns orientieren, auch wenn der  Mensch in erster Linie bestätigt werden will, und da stört die Wahrheit zumeist. Wie sagte doch Richard Feinstein, Nobelpreisträger für Physik, so treffend: The first principle is not to fool yourself. And, you are the easiest person to fool.

Ausführlich geht Frank Urbaniok auf das Thema Abschiebungen und Asylrecht ein. Die einschlägigen Verlautbarungen der Politiker sind bekannt ("Diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, haben in unserem Land nichts verloren."), die Praxis sieht anders aus. was wesentlich am Rechtssystem liegt, an dem, wie es scheint, niemand zu rütteln traut (wobei: ergänzt wird es laufend und problemlos). Nur eben: Ein Rechtssystem, das Abschiebungen  verunmöglicht, muss geändert werden. Das jedoch wollen die Rechtsvertreter nicht, denn schliesslich profitieren sie von diesem System, das im Laufe der Jahre immer mehr Rechte geschaffen hat, wobei die Pflichten in etwa gleich geblieben sind. Das Recht ist meines Erachtens hauptsächlich ein Geschäftsmodell.

Frank Urbaniok sieht die Funktion des Rechts weit positiver und geht so ziemlich auf alle Aspekte ein, die beim Thema Migration eine Rolle spielen. Sein Ausgangspunkt ist die Fürsorgepflicht des Staates für seine Bürger und Bürgerinnen. Diese haben ein Recht darauf, vor Kriminalität geschützt zu werden. Das sollte sich so recht eigentlich von selbst verstehen; die gegenwärtige Praxis (die Rechte der Migranten und Migrantinnen haben Priorität) ist jedoch eine ganz andere. Wer sich den Fakten und dem gesunden Menschenverstand nicht verschliesst, weiss, dass es höchste Zeit ist, Gegensteuer zu geben.

Schattenseiten der Migration ist ein sehr engagiertes, überzeugend argumentierendes Plädoyer für die Vernunft, voller vielfältiger Anregungen, Vorschläge und Forderungen, deren Umsetzung eine Gegenbewegung erfordern. "Es muss die Gegenbewegung der Vernünftigen sein. Hierfür sind Politiker, Fachleute und vor allem aber die Bürgerinnen und Bürger erforderlich." The readiness is all, sagt Horatio in Hamlet.

Frank Urbaniok
Schattenseiten der Migration
Zahlen, Fakten, Lösungen
VOIMA Verlag, Horgen 2025

Wednesday, 16 April 2025

Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer

So recht eigentlich weiss ich mittlerweile nicht mehr, was ich von der israelisch/palästinischen Frage/Lage halten soll. Nicht, dass ich es jemals gewusst hätte. Mir standen die Juden emotional immer näher als die Palästinenser, und nach dem Hamas-Angriff noch viel mehr. Jetzt allerdings, wo ich immer mehr mitkriege von dem, was die rechtsradikale Regierung Netanjahu anrichtet (wer Trump auf seiner Seite hat, vertritt alles, wirklich alles, was ich zutiefst verabscheue), geraten meine Emotionen ins Wanken. Und als ich nun lese, dass Zachary und Katharina F. Gallant sich als Brückenbauer verstehen, bin ich mehr als skeptisch, denn vom Brückenbauen halte ich gar nichts, vielmehr denke ich heutzutage (das war einmal ganz anders), dass das, was nicht zusammenpasst, getrennt bleiben sollte (von Ehepaaren, die sich nicht ertragen, zu Kulturen, die inkompatibel sind). Dies also die Ausgangslage, doch jetzt zum Buch.

"Wir schreiben dieses Buch, weil wir immer noch daran glauben, dass ein konstruktives Gespräch auf der Grundlage von Fakten möglich ist, wenn es uns gelingt, die belastete Rhetorik, die polemischen Tweets und die 10-Wort-Antworten hinter uns zu lassen." Ich teile diese Auffassung nicht, denn wenn Fakten eine Rolle spielen würden, könnten narzisstische Psychopathen weder in der Politik noch in der Wirtschaft Spitzenpositionen einnehmen, doch vielleicht täusche ich mich ja. Ich lese dieses Buch, weil ich mich informieren will.

Zachary und Katharina F. Gallant argumentieren, dass "Frieden im Nahen Osten unmöglich ist, solange wir die Zusammenhänge nicht vollständig verstehen." Nur eben: Etwas zu verstehen heisst noch lange nicht, auch entsprechend zu handeln. Zudem: Tout comprendre, c'est tout pardonner. Nichtsdestotrotz, einen Versuch ist es allemal wert. 

Zum ersten Mal gestockt habe ich, als ich in in der Einleitung über die Hamas-Angriffe vom 7. Oktober 2024 las: "Die Hamas hatte nicht militärische Ziele im Visier, nicht einmal beliebige zivile Ziele, sondern eben solche Personen, die dafür bekannt waren, dass sie sich aktiv für Frieden und ein konstruktives Miteinander von israelischen und palästinensischen Menschen einsetzten." Obwohl ich mich nicht uninformiert glaubte, war mir das nicht wirklich klar. Dieses Buch liefert einige solcher notwendiger Klärungen.

An insgesamt 7 Behauptungen wird aufgezeigt, dass es sich dabei um Irrtümer handelt. Das geht von "Jüdische Menschen als Gäste auf der Flucht vor den Weissen" bis zu "Geldmittel als Heilmittel bei Traumata." Es ist ein sehr detaillierte Abhandlung, für deren Beurteilung mir die historischen Kenntnisse fehlen, doch nur schon die Tatsache, dass jüdische Menschen bereits vor der Gründung Athens im Nahen Osten gelebt haben, verschiebt meine Wahrnehmung beträchtlich, war ich doch bisher davon ausgegangen, dass die Gründung des Staates Israel eine Folge des Holocaust gewesen sei.

"From the River to the Sea". Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer ist ein sehr dichter Text, der nicht nur breit informiert, sondern auch Stellung bezieht, dabei jedoch (jedenfalls für mein Gefühl) eine Toleranz walten lässt, die ich nicht nur problematisch, sondern grundlegend falsch finde. Konkret: "Einige, der uns in Freundschaft verbundenen Menschen haben an den Anti-Israel-Kundgebungen 2023 und 2024 in Deutschland, Frankreich und den USA teilgenommen, haben sich mit Leuten umgeben, die "Wir sind alle Hamas" skandierten, und wer weiss, vielleicht haben sie es in der Hitze des Gefechts auch skandiert. Auch wenn sie mit Leuten zusammenstehen, die zur buchstäblichen Vernichtung des jüdischen Volkes aufrufen, schätzen wir diese Menschen." 

Auch wenn mir dafür jegliches Verständnis abgeht, für Zachary und Katharina F. Gallant ist dies zentral, denn dieses Buch "ist ein Versuch, von einem Ort zurückzukehren, an dem wir einander nicht hören können. Und so hoffen wir, dass unsere Freundschaft stärker sein wird als die gegenwärtige Trennung durch ein Umfeld, das von Rassismus, Kolonialismus und Hass geprägt ist und das das Existenzrecht jüdischer Menschen auf gefährliche Weise in Frage stellt."

Selten war mir deutlicher, dass es bei dem Israel/Palästina-Konflikt so recht eigentlich um die Frage geht,  ob "jüdische Menschen überhaupt irgendwo auf der Welt ein Existenzrecht" haben? Und dass auf diese Frage ernsthaft einzugehen, etwas viel Grundsätzlicheres bedeutet, als was seit Jahren politisch diskutiert wird. Zu den beeindruckendsten Passagen in diesem vielfältig aufschlussreichen Werk gehört ein längeres Interview mit Susie Linfield von der New York University. worin sie auch den palästinensischen Dichter Mahmoud Darwisch zitiert, der meinte, die Palästinenser hätten Glück, dass Israel ihr Feind sei. "Ich habe keine Illusionen. Das Interesse an der palästinensischen Frage ist in Wirklichkeit nur ein Spiegelbild des Interesses an der jüdischen Frage." 

"From the River to the Sea". Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer ist auch ein Buch darüber, dass allzu viele Menschen offenbar nicht fähig sind, ohne jüdische Sündenböcke auszukommen. Es ist dieser (unser) Charakterfehler, der ein friedliches Nebeneinander verunmöglicht.

Zachary Gallant
Katharina F. Gallant
"From the River to the Sea"
Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer
Westend Verlag, Neu Isenburg 2025

Sunday, 13 April 2025

Nord Stream

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Dieses Buch handelt hauptsächlich davon, wie deutsche Politiker Wladimir Putins Komplizen wurden. Zu diesen Politikern gehören Erwin Sellering, Helmut Schmidt, Günter Verheugen, Sahra Wagenknecht, Alexander Gauland, Wolfgang Clement, Henning Voscherau, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, Manuela Schwesig, Angela Merkel und Olaf Scholz. Wie sie denken, offenbart sich nicht in dem, was sie sagen, sondern in dem, wie sie sich verhalten.

Nord Stream. Wie Deutschland Putins Krieg bezahlt liest sich wie ein Thriller, der einen nicht nur packt, sondern auch aufklärt, nicht nur über "betonummantelte Stahlrohre", sondern auch über einen Menschenschlag, der ausschliesslich von Eitelkeit und eigensüchtigen Motiven geprägt scheint. Ständig geht mir Paul Valéry durch den Kopf: "Politik ist die Kunst, die Leute daran zu hindern, sich um das zu kümmern, was sie angeht."  

Gazprom kommt zur Sprache, der Krieg gegen die Ukraine, die langfristigen Strategien des russischen Regimes, Lügen und Manipulationen, gebrochene Versprechen ... Alles, was kennzeichnend für die Politik ist. Was die Journalisten Steffen Dobbert und Ulrich Thiele hier vorlegen, macht einen die Welt anders sehen. Illusionsloser. Und das ist hilfreich.

Nord Stream. Wie Deutschland Putins Krieg bezahlt ist wesentlich ein Buch über Gazprom, ein Konzern, der aus Wirtschaft, Politik und Geheimdienst besteht. "Gazprom ist eine politische Firma", so einer der Chefs der unzähligen Gazprom-Tochtergesellschaften. Dass dieses postsowjetische Hybrid-Gebilde nicht für faire Geschäftsbeziehungen steht, dürfte so recht eigentlich jedem klar sein. War es aber eben nicht.

Es sind vor allem die vielen aussagekräftigen Details, die mir dieses Werk wertvoll machen. Etwa über die Aktivitäten russischer Hacker. Oder über die Spendenfreudigkeit der Schweriner Staatskanzlei, "also die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler". Oder dass die Nord Stream AG im schweizerischen Zug gemeldet ist. Wenn dann allerdings von einem Silvesterabend in den Schweizer Alpen berichtet wird ("Wie es die Tradition will, wird es Raclette geben, mit Schweizer Käse, gross wie ein halbes Wagenrad."), wundert man sich als Schweizer schon etwas, denn Raclette heisst der Käse.

Ich lese dieses spannende und aufschlussreiche Sachbuch mit dem gegenwärtigen Chaos im Hinterkopf, das die nordamerikanischen Republikaner ohne jegliche Not vom Zaun gebrochen haben. Dabei fällt vor allem auf, wie raffiniert, fintenreich, verlogen und manipulierend das russische Regime unterwegs ist, dabei differenziert und rational argumentierend, was man vom amerikanischen Präsidenten, dessen Wortschatz sich auf "beautiful" and "great" zu beschränken scheint, beim besten Willen nicht sagen kann. Mit anderen Worten: Putin weiss, was er tut; der Florida-Golfer definitiv nicht. Und die Deutschen, dies zeigt dieses Buch eindrücklich, offenbar auch nicht.

Man lernt nicht nur einiges über die Verbohrt- und Unbedarftheit deutscher Politiker, man erfährt auch einiges darüber, wie das russische Regime agiert. Wer sich ohne Scheuklappen das kalte, rücksichtslose, russische Vorgehen ansieht (man denke etwa an den kaltblütigen Mord an Selimchan Changoschwili im Berliner Tiergarten), wird nicht um die Erkenntnis herumkommen, dass die Moral, die Russland regiert, und die Moral, die in Westeuropa herrscht, nicht kompatibel sind. Anstelle des einfallslosen Aufrufs zum Miteinander-Reden und Brücken-Bauen, dessen sich Politiker, Kirchenvertreter und sogenannte Kulturschaffende bedienen, wäre es gescheiter die Werte-Unterschiede zu akzeptieren, und getrennt zu bleiben.

Nord Stream. Wie Deutschland Putins Krieg bezahlt ist ein Lehrstück über Politik. in der es, wie überall sonst auch, um Vertrauen geht, das Frank-Walter Steinmeier in einem Essay, den er als Aussenminister geschrieben hat, "als wichtigstes Element der europäisch-russischen Energiepartnerschaft benennt." Dafür erhält er Putins Lob, der sich zweifellos an der Naivität Steinmeiers erfreute. Es sind solche Aspekte, die mich letztlich stärker beschäftigen als die Ehrlosigkeit der Politiker, denn so verschieden von diesen sind wir alle nicht. 

Dieses Buch dokumentiert, "wie Geld aus Russland deutsche Behörden, Kultureinrichtungen, Sportvereine, Journalisten, Segelregatten, Orchester, Grundschulen, wissenschaftliche Institute, einen Freizeitpark und eine landeseigene Stiftung zum verlängerten Arm des Kreml wurde." Die Erdgas-Falle (neben den 104 Milliarden Euro, seit 2014, kamen noch Kosten für Öl und Kohle hinzu) war das Ergebnis strategischer Korruption, auf die die Bundesrepublik, im Gegensatz zu Polen, reingefallen ist. Viele der dafür verantwortlichen Politiker sind nach wie vor im Amt. Wer glaubt, wir würden aus der Geschichte klüger, wird wieder einmal eines Besseren belehrt.

Fazit: Dringend nötige, überaus gelungene politische Aufklärung. 

Steffen Dobbert / Ulrich Thiele
Nord Stream
Wie Deutschland Putins Krieg bezahlt
Klett-Cotta, Stuttgart 2025

Wednesday, 9 April 2025

Great Story

In einer Lehrveranstaltung über internationalen Journalismus wurden die Studenten gefragt, ob sie sich tags zuvor die Nachrichten im Fernsehen angeschaut, im Radio angehört oder in der Zeitung gelesen hätten? Ja, hatten sie, alle. Was ihnen geblieben sei? Sie dachten heftig nach. Und waren nicht schlecht erstaunt, dass sie sich kaum an etwas erinnern konnten. Doch verzichten wollten sie auf die tägliche Nachrichtendosis deswegen keineswegs, schliesslich gehört (für viele) der Nachrichtenkonsum zum Tag wie das Frühstück.

Guckt man einmal eine Zeitlang bewusster hin, was uns denn da tagtäglich unter dem Stichwort Nachrichten vorgesetzt wird, ist man wenig erstaunt, dass einem kaum etwas davon im Gedächtnis haften bleibt. Alles sogenannt Wichtige findet hinter verschlossenen Türen statt, vorgesetzt werden einem Häppchen von einer Banalität, die schwer zu übertreffen ist („Was sind ihre Pläne für die Zukunft, Herr Präsident?"). John Dunning meint in seinem Krimi Deadline wirklich Brisantes (wer hat seinen Reichtum wie erworben, wer seine Nebenbuhler wie aus dem Weg geräumt? etc. etc.) komme nur ausnahmsweise in den Massenmedien vor. Zweifellos hat er Recht damit.

Auf den Punkt gebracht hat es letzthin Donald Trump, als er, am Beispiel der amerikanischen Aussenministerin (es hätte auch irgendeine andere Politikerin oder irgendein anderer Politiker sein können), die gängige Aussenpolitik kommentierte: "She goes o­n a plane, she gets off a plane, she waves, she goes there to meet some dictator . . . They talk, she leaves, she waves, the plane takes off. Nothing happens. It's a joke . . . Nothing ever happens."

Was einem (zugegeben, ich spreche von mir) eigenartigerweise im Gedächtnis bleibt, sind die Sachen, von denen man weiss, dass man nicht will, dass sie das tun: der kahlgeschorene Kopf von Britney Spears, die Streitigkeiten darüber, wo Anna Nicole Smith begraben werden soll, das neueste Werk (nein, ich habe nicht vor, es zu lesen) von Eva Hermann.

Und sonst? Mir fallen nur die allgegenwärtigen Stichworte ein. Irak, Mittlerer Osten, Iran, Afghanistan. Immer dieselben fürchterlichen Bilder und Berichte. Man hat sich daran gewöhnt. Und fühlt sich, wenn man darüber nachdenkt und Gefühle zulässt, schuldig. Das Medienbombardement, sagt einer der Teilnehmer im Kurs über internationalen Journalismus, habe dazu geführt, dass er heute solche Fernsehbilder an sich vorbeiziehen lassen könne, während er zu Abend esse. Und fügt hinzu: Eine solche Abstumpfung wäre ihm vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Damals habe sich etwas in ihm gewehrt, zu solchen Meldungen und Bildern zu essen.

Aber da war doch noch was, ich weiss es ganz genau. Aufgeschrieben hab ich es, weil ich es partout nicht vergessen wollte. Hier ist es:

Auf CNN ein Bericht darüber, dass die USA kaum irakische Flüchtlinge aufnehmen. Eine junge Irakerin, deren Familie aus dem Land geflüchtet und, bürokratischer Hürden wegen, auf dem halben Erdball verteilt lebt, wird dazu befragt: Ja, sie habe sich damals die Befreiung von diesem schrecklichen Diktator gewünscht, doch jetzt, wo sie alles verloren, wünschte sie, die US-Invasion hätte nicht stattgefunden.

Great Story" gratuliert der CNN-Moderator seiner für diese Reportage verantwortlichen und vor Genugtuung strahlenden – nicht übertrieben, nein, das nicht, aber eben doch unübersehbar – Kollegin.

Hans Durrer, Titel-Magazin, 2007

Sunday, 6 April 2025

Geld. 100 Seiten

Wie kommt es eigentlich, dass Geld eine solche Macht über uns hat? Uwe Springfeld ist der Frage nachgegangen und auf ganz unterschiedliche Erklärungen gestossen. Und wie das bei Erklärungen eben so ist, man wird sich für die entscheiden, die einem am ehesten zusagt. Warum einem diese und nicht eine andere zusagt, ist dann auch wiederum eine Sache des Rätselns, das allerdings mehr über den Rätselnden aussagt, als über den Gegenstand des Rätselns.

Auf einen Satz wie "Geld ist ein universeller Wertmassstab." können sich vermutlich so ziemlich alle einigen. Was als Geld verwendet wird, ist übrigens egal; entscheidend ist nur die Autorität hinter dem Geld. Diese muss eindeutig sein, heutzutage ist es der Staat.

Uwe Springfeld, geboren 1956, berichtet seit über 30 Jahren aus der Wirtschaft und den Naturwissenschaften, und besitzt die Gabe, farbig und nachvollziehbar zu schreiben, wobei er gelegentlich auch übers Ziel hinaus schiesst, etwa wenn er bon mot-artig vereinfacht. "Bei einer Verabredung gilt das Faustrecht, das Recht des Stärkeren. Bei einem Vertrag greift das Zivilrecht." Nun ja, auch im Zivilrecht gilt das Recht des Stärkeren, nämlich das des stärkeren Arguments.

Nichtsdestotrotz: Was dieses Werk auszeichnet, ist (neben der Aufklärung) sein überaus sympathischer Ton: "Meine Finanzmaklerin (einen Kopf kleiner als ich, dieselbe Gewichtsklasse, aber intelligenter) wusste eine Antwort ...".

Uwe Springfeld erklärt nicht nur das Geld, sondern auch alles Wissenswerte drumherum, zum Beispiel, was Zentralbanken sind, oder weshalb eigentlich der Dollar zur Referenzwährung der Welt wurde, oder wie es kommt, dass die Weltbank Entwicklungshilfe betreibt.

Wie bei Sachbüchern üblich, gibt es auch bei Geld. 100 Seiten den Blick zurück in die Geschichte und damit auf die grossen Finanzkrisen, auch die der neueren Zeit (Lehmann-Pleite, isländische Finanzkrise). Dazu kommen die verschiedenen Geldtheorien und was dahinter steckt.

 Sehr illustrativ ist, wie er den Kauf einer Wohnung in Marseille schildert. Immer mal wieder gehen seine Assoziationen mit ihm gedanklich spazieren, wie er notiert (eine wunderbare Formulierung!), was beim Thema Wirtschaftskreislauf auch dazu führt, dass er einen klugen Kopf mit den Worten zitiert: "Vergleiche sind wie Stanzen. Sie schlagen aus einer komplexen Wirklichkeit einfache Formen heraus. Dabei wird alles abgeschnitten und vergessen, was nicht in die Form hineinpasst."

Auch über Kryptogeld lässt der Autor sich kurz aus und so lerne ich zu meinem nicht geringen Erstaunen, dass der Bitcoin in Brasilien als offizielles Zahlungsmittel anerkannt sei. Und auch über den Geldwert des menschlichen Lebens erfahre ich einiges.

Man kenne ja die Namen der reichsten Menschen der Welt, schreibt er einmal, und spekuliert dann darüber, was Elon Musk mit seinem Vermögen alles anstellen könnte. Die Wirklichkeit, wie wir alle gerade erfahren, übersteigt unsere Fantasie bei weitem.

Uwe Springfeld
Geld. 100 Seiten
Reclam, Ditzingen 2025

Wednesday, 2 April 2025

Sunday, 30 March 2025

Bern schläft

Ich hätte letzthin ein Buch über einen übergelaufenen sowjetischen Spion gelesen und sei seither der Meinung, es wimmle vermutlich von Schläfern in der Schweiz. Ja, Bern schläft, sagt daraufhin die pensionierte Schweizerin am Bahnhof von Genua, die mit mir auf den verspäteten Zug nach Alássio wartet und stolz auf ihr Italienisch ist. Bern schläft, sagt sie noch einmal.

Mein Hotel liegt direkt am Meer. Als ich eintreffe erläutert die Rezeptionistin am Telefon einem offenbar begriffsstutzigen Motorradfahrer, wie er die Parkgarage finden könne. Als ich sie später frage, ob der Mann eingetroffen sei, sagte sie, er schon, das Motorrad nicht.

Beim Frühstück wähne ich mich in einem Fellini-Film. Einige haben Tische reserviert, nicht nur am Fenster, auch vor einer Säule. Als mir eine ältere Frau zulächelt, geht mir mein brasilianischer Freund Ricardo durch den Kopf, der vor Jahren meinen geplanten Besuch in Torres, einer Stadt am Strand in Rio Grande do Sul, so kommentierte: Da wirst du viele schöne junge Frauen im Bikini zu sehen kriegen, die dich jedoch keines Blickes würdigen. Die einzigen, die dich anschauen, sehen so aus wie deine Grossmutter, sind aber wahrscheinlich jünger als du.

Alássio, Einwohnerzahl um die 10’000, ist eine Touristenhochburg. Anfang September vor allem für ältere Semester. Ich staune über die günstigen Cappuccino-Preise: 1 Euro 70 oder 1 Euro 80.

Eine Buchanzeige per Email. Ob mich eine Analyse darüber, wie wir über die Covid-Impfung getäuscht wurden, geschrieben von einer Rechtsanwältin, zu besprechen interessiere? Definitiv nicht. Ich finde sogenannte Aufarbeitungen wohlfeil. Was sie bewirken sollen, ist mir schleierhaft, denn dass der Mensch aus der Geschichte nichts lernt, ist nun wirklich nichts Neues.

Meine derzeitige Lektüre: Robertson Davies‚ The Lyre of Orpheusreich an so wunderbaren Sätzen wie: „Maria thought of herself as a determined scholar, not as a rich man’s wife, or a woman of remarkable beauty which drew all sorts of unscholarly things into her path.“ Sowie eine Geschichte der Hitze, die mich zum ersten Mal den zweiten Satz der Thermodynamik begreifen lässt: Hitze fliesst immer von heiss zu kalt. Nie umgekehrt.

Ortsansässige empfehlen regelmässig den Besuch von Touristenattraktionen. Mich interessieren weder Museen noch historische Stätten und ich wundere mich, dass man sich dafür interessieren kann. Ich muss nicht wissen, was meine Vorfahren angeblich gedacht und gefühlt haben. Als ob das jemand wüsste! Ich weiss nicht einmal, was ich selber denke, habe eher den Eindruck, dass in mir etwas denkt, wovon ich nur zu einem ganz geringen Teil etwas mitkriege.

Es sei klar besser, sagt mir die Rezeptionistin, direkt beim Hotel und nicht via Booking zu buchen. Und wieso das? Weil man dann immer über den Preis verhandeln könne. Ich habe alles bezahlt, ausser der Kurtaxe, sage ich zwei Tage später beim Check-out. Due Euro, winkt sie ab.

35 Minuten Verspätung habe mein Zug nach Ventimiglia, informiert mich Trenitalia per Email. Am Bahnhof sagt die Anzeigetafel dann die Verspätung betrage 60 Minuten. Als ich zwanzig Minuten später noch einmal hinschaue, ist keine Verspätung mehr aufgeführt. Ich gehe zum Gleis, wo gerade ein anderer, ebenfalls verspäteter Zug nach Ventimiglia einfährt, allerdings kein Intercity, für den meine Fahrkarte gültig ist. Ob ich auch diesen Zug nehmen könne, frage ich einen Bahnangestellten, der meint, vermutlich schon, er würde es jedenfalls empfehlen, denn der Intercity habe eine Stunde Verspätung. Ich beschliesse, es zu riskieren, werde dann gar nicht kontrolliert, doch leider setzt sich eine Frau mit zwei Kindern neben mich, die einen derartigen Lärm machen, dass ich meine Stimme erhebe und ohne nachzudenken diesen ziemlich bescheuerten Satz von mir gebe. „Nella prima classe il silenzio é obligatorioI“ Dann ist Ruhe. Als der Lärmhaufen in Sanremo aussteigt, verabschiedet sich das Mädchen mit einem lachenden Ciao.

Als ich in Cannes meine Email konsultiere, erfahre ich von Trenitalia, dass mein verspäteter Intercity in Arquata Scrivia zu einem definitiven Stillstand gekommen und ich autorisiert sei, den Regionalzug zu nehmen.

Die Unterschiedlichkeit der Leute macht mich immer mal wieder staunen. Im Zug: Die zwei Araberinnen, die sich offenbar nur sehr, sehr laut unterhalten können. Die Afrikanerin in buntes Tuch gehüllt, die mich über den Gang hinweg bittet (und nicht etwa die, welche neben ihr sitzen) kurz auf ihr Gepäck aufzupassen. Die junge Frau, die mir zu Hilfe eilt, als mein Koffer umfällt. Ob ich wohl so alt aussehe, dass ich Hilfe brauche?

Eigenartig, in einem Hotel zu sein, wo ich ausschliesslich die Landessprache höre. Jetzt in Toulon ist es so, doch auch in Alássio ist mir das aufgefallen.

Am Hafen von Toulon, einer Stadt mit 160’000 Einwohnern, geht mir Schopenhauer durch den Kopf, der beim Anblick der Galeerensklaven zutiefst erschüttert war und den Glauben an die Menschheit verlor. In der Innenstadt dann Erinnerungen an Dijon.

Nach dem ausgiebigen Hotelfrühstück habe ich zwar keinen Hunger, doch dem Thai-Restaurant beim Bahnhof kann ich dann doch nicht widerstehen. Ein Fehler, die Hühnersuppe schmeckte, als ob man anstatt eines Kaffeelöffels Bouillon (oder was auch immer es gewesen ist) zwei Kochlöffel davon reingeschmissen hätte. Ich brachte es nicht über mich, aufzuessen.

Cappuccino in Frankreich ist meist eine Enttäuschung, Café au lait oft die bessere Option. Mit einer Ausnahme: In einer Bar Tabac war er exzellent, für zwei Euro!

Heftiger Wind, der mich zeitweilig an Rio Grande gemahnt, wo ich mich wunderte, dass jemand damit leben kann. Gewohnheit, wie immer.

Nach gut fünf Stunden der Stadterkundung, glaube ich es gesehen zu haben und ziehe mich ins Hotel zurück, wo ich mir Jerzy Kosinkis L’oiseau barriolé vornehme und unter anderem lerne, dass ein Drittel der im Zweiten Weltkrieg ermordeten Juden weniger als 16 Jahre alt war. Kosinski, von dem meine verstorbene Freundin Irène schwärmte, habe ich einst verschlungen … und auch jetzt packt er mich.

Eine Literatursendung im Fernsehen. Sehr französisch, intelligentes Palaver von Leuten, die alles für bedeutsam halten, vor allem sich selber. Früher mochte ich das nicht nur, ich war beeindruckt, und nahm es ernst, im Gegensatz zur Politik, die ich immer schon hohl gefunden habe. Heute sehe ich nur noch Eitelkeit und Selbstüberschätzung.

Schon komisch, was ich in̈ Hotelzimmern so alles google, von Heather Mills bis zu Olivia Newton-John, die in Australien offenbar ein Staatsbegräbnis gekriegt hat. Was wir Menschen alles für normal halten – Staatsbegräbnisse! –zeigt wie durchgeknallt wir sind.

Im Internet lese ich, eine Schweizer Politikern habe auf Instagram ein Bild von sich gepostet, das zeigt wie sie auf ein Bild von Maria mit Jesuskind schiesst, worauf sie ihren Job als Kommunikationsberaterin (!?) sowie politische Ämter verliert. Wie konnte sie nur, was hat sie sich bloss gedacht? wird nun gefragt. Diesen Fragen liegt die Annahme zugrunde, wir wüssten, was wir tun. Das ist Humbug. Wir haben keinen Schimmer, warum wir tun, was wir tun. Was wir bewusst äussern ist Theater bzw. klassische Dissonanz-Reduktion. Wir sind viel zu komplex, um uns selber zu verstehen. Das Unbewusste regiert uns. Was uns wirklich antreibt, wie wir wirklich denken, zeigt sich allein in unserem Tun.

Wednesday, 26 March 2025

Auf Reisen

Es sei gleich vorweg genommen: Dies ist ein ganz wunderbares Buch: differenziert, elegant, witzig, eine Anleitung für intelligentes Reisen, besser als jeder Reiseführer.

Seinen Ausgang nimmt der Text in Berlin, der Stadt, in welcher der Autor laut Klappentext seit 25 Jahren als Schriftsteller und Filmemacher lebt. „Nach Jahren erst lernte ich zu akzeptieren, dass es in Berlin nirgends besser ist als da, wo ich mich gerade aufhalte. Seither übe ich mich täglich darin, die ewige Angst zu verdrängen, das Glück sei dort, wo ich nicht bin, und versuche, das Schöne im Grauen zu entdecken. Dann fängt die Stadt an, sich zu entfalten. Halten Sie also das Hotel, in das es Sie verschlagen hat, für das bestmögliche, die gottverlassene Ausfallstrasse, über die Sie sich gerade schleppen, für sehenswert, das Café, in dem Sie aufgegeben haben, nach einem besseren zu suchen, für ein apartes, und Berlin wird zu einer Oase der Erholung.“ Das ist nicht einfach nur clever (das ist es auch), das ist weise. „Was man gesehen haben muss? Nichts. Berlin ist keine Attraktion.“ Treffender kann man es kaum sagen.

Von Berlin geht es nach Guggisberg. „Um halb neun geht man in sein Zimmer. Da es nichts zu versäumen gibt, legt man sich ins Bett und schläft ein. Am nächsten Morgen erwacht man, der Brunnen plätschert, man kann weiterhin nichts versäumen, schläft also noch einmal ein.“ Nein, das ist nicht alles, was der Autor zu Guggisberg zu sagen hat. Zum Essen im Wirtshaus merkt er zum Beispiel an: „Das Essen wird aufgetragen, grosse Portionen, frisch und ehrlich gekocht, souverän geradeaus: Gemüse schmeckt nach Gemüse, Fleisch nach Fleisch, Kartoffelstock nach Kartoffelstock. Die Bedienung freut sich, dass sie etwas zu tun hat. Wenn man fertig gegessen hat, freut sie sich, dass sie nichts mehr zu tun hat. Nicht dass ich sie zu einem Vreneli verklären möchte, aber mindestens benahm sie sich wie eine, die nicht einsieht, warum sie sich im einundzwanzigsten Jahrhundert anders benehmen soll als im siebzehnten – so eine Haltung schätze ich.“ Toll, nicht?

Die nächste Station ist Porto. Wer liest, wie Zschokke die dortige Kultur des Kaffeetrinkens beschreibt und nicht sofort selber dorthin will, dem (es kann auch eine Frau sein) kann nicht geholfen werden. Weiter geht’s ins Maderanertal, nach Weimar, Grenchen, Baden-Baden, Amman, Budapest, wieder Amman und und und, in dieser Reihenfolge – das illustriert unter anderem gut, dass Reisen keine lineare Angelegenheit ist.

À propos Amman: Wer noch nie vor Ort war, den Mittleren Osten nur aus Zeitungsberichten kennt, dem seien Zschokkes erhellende, von Zuneigung geprägte Schilderungen (eine der wesentlichsten Voraussetzungen, wenn man über einem fremde Ort schreibt) heftig empfohlen: „Jeder Europäer sollte dringend dann und wann nach Arabien, um sich daran zu erinnern, wie Menschen miteinander umgehen könnten, wenn sie nur wollten. Hier begegnet man den Figuren aus seinen Kindheitsräumen, aus den Märchen, aus der illustrierten Sonntagsschulbibel des Julius Schnorr von Carolsfeld, aus der Welt von Karl May und Lawrence of Arabia: höflich. Edel, und schön anzuschauen in ihren langen Gewändern und den dramatischen Falten. Jeder Tag unter ihnen ist eine Erholung fürs Gemüt und für die Seele.“

Eine der schönsten Stellen ist diese hier:

„Ich setzte mich unter das Schattendach einer Hähnchenbraterei und schaue in die flimmernde Helligkeit, eine Stunde, zwei Stunden, Autos fuhren vorüber, Busse auch, aber die hielten nicht an, weil sie voll waren, Fliegen setzten sich auf mich, ein silbergrauer Esel trottete vorbei, eine Ziegenherde, ein Knabe, wieder ein Lastwagen, eine alte Frau, die Fliegen liefen übers Gesicht, über die Hände – und ich hatte das Empfinden: Endlich angekommen! Das ist es: Hier sitzen, warten, mit den Fliegen, dem samtenen Wind, dem Staub, ohne Uhr – ich hatte sie im Hotel vergessen – , und nicht eine Sekunde Ungeduld oder gar Missmut. Einfach die Zeit verstreichen lassen. Alttestamentarisch. Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück.“ Das ist genau, schnörkellos und instruktiv; näher beim Leben kann das Beschreiben des Lebens eigentlich nicht sein. Grossartig!

Und dann der Humor, nicht zuviel, nicht zuwenig, gerade richtig. Es ist auch ein Buch zum Schmunzeln. „Im Strassenverkehr sind Tugenden wie Mut, Kühnheit und Behendigkeit gefragt. Vor einer roten Ampel zu bremsen oder beim Einbiegen in einen sechsspurigen Kreisel zu schauen, ob von links einer kommt, überhaupt nur den Blick in den Rückspiegel, der besitz eines Rückspiegels an sich – all das sind Zeichen von Feigheit.“

Nein, hier soll nicht das ganze Buch nach erzählt werden. Entdecken Sie es selber, es lohnt sich. Und Kritisches, gibt es da nichts anzumerken? Doch, die vierte Umschlagseite, auf der ein schönes Zitat aus dem Buch zu finden ist („Suchen Sie nicht herauszufinden, warum dieser Bahnhof berühmt ist. Gehen Sie ein wenig auf und ab, als sei das etwas.“), doch leider eben auch ein Zitat (eigentlich nur eine beliebige Aneinanderreihung von Wörtern) von Pia Reinacher aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Matthias Zschokke gelingt es, die Welt aus den Angeln zu heben und die freie Sicht auf das Poetische zu öffnen.“ Wer das versteht, für den ist dieses Buch ungeeignet. Wer hingegen mit diesem blumig nichts sagenden FAZ-Schöngeistigen nichts am Hut hat, sollte schleunigst in die nächste Buchhandlung rennen und sich Matthias Zschokkes „Auf Reisen“ besorgen.

Matthias Zschokke
Auf Reisen
Ammann, Zürich 2008

Sunday, 23 March 2025

Der ultimative Guide zu absolut allem*

Wenige Bücher machen mich bereits mit der Einführung jubeln, doch Der ultimative Guide zu absolut Allem* gehört eindeutig dazu. Das liegt an den Beispielen, anhand derer aufgezeigt wird, „wie schlecht der Mensch dafür ausgerüstet ist, das Universum zu begreifen“, und es liegt an Sätzen wie etwa diesem: „Wie man es auch dreht und wendet: Die Intuition ist ein miserabler Ratgeber."

Wir wissen zwar, dass vieles nicht so ist, wie es uns erscheint, doch erstaunlicherweise hilft dieses Wissen nicht, unsere Wahrnehmung anzupassen. Unsere Gewohnheiten sind stärker als unsere Erkenntnisse – so reden wir, wider besseres Wissen, nach wie vor davon, dass die Sonne auf- und untergeht.

Dieses Buch plädiert dafür, unser Primatenhirn auszuschalten und uns der Hilfsmittel zu bedienen, „die wir erfunden haben, um unsere evolutionär bedingten Blockaden zu überwinden.“ Darüber hinaus zeigt es, wie wenig wir unseren Instinkten vertrauen können, und ermuntert uns, „einen Weg zu finden, wie man herausfindet, was man nicht weiss.“ Zudem lehrt es, dass „die Bereitschaft, seine Meinung zu ändern, eine grosse Tugend darstellt (ganz generell, aber insbesondere in der Wissenschaft).“

Wissenschaft zu betreiben, bedeutet, genau hinzuschauen, Fragen zu stellen und auch sich selber in Frage zu stellen – was vielen Verschwörungstheoretikern unvorstellbarer nicht sein könnte. Wissenschaft zu betreiben, bedeutet auch, sich von seinen Vorstellungen leiten zu lassen und gleichzeitig bereit zu sein, sich von ihnen zu befreien.

Um zu verstehen, wer oder was wir sind, ist auch ein Blick auf unsere Vorfahren vonnöten. Wie alle Primaten sind wir hauptsächlich mit unserem Überleben und der Fortpflanzung befasst. „Der Grossteil unserer biologischen Hardware hat sich seit den Zeiten, in denen keine der hochfliegenden Ideen, wie unser Universum wohl gestrickt sein mag, irgend jemanden interessierte, so gut wie überhaupt nicht verändert.“

„Steinalt (noch älter als die Stones)“ lautet der Titel eines der Kapitel, das sich unter anderem mit der Frage auseinandersetzt, vor wie langer Zeit die Erde entstanden ist. Es kommt darauf an, wen man fragt? Nein, Meinungen sind hier nicht gefragt. Das Zusammenspiel von Geologie, Chemie und Atomphysik liefert Daten, die Gesteinsbildungen von vor ca. 4,5 Milliarden Jahren annehmen lassen. Vorstellen kann ich mir das zwar nicht, doch was kann ich mir schon vorstellen?

Der ultimative Guide zu absolut Allem* ist reich an faszinierenden Geschichten über Ursprünge, Anfänge, die Zeit, das Leben, ja so recht eigentlich über so ziemlich alles, was neugierige Menschen eben so beschäftigt. Vor allem aber handelt es davon, dass „es ein sehr reales Universum gibt, das aus physischer Materie besteht und Regeln gehorcht, die jedenfalls auf dem grundlegendsten Niveau nicht verhandelbar sind.“ Gleichzeitig sind wir Menschen „wundersame Wesen, die mit ihren Erfindungen und Kenntnissen Zeit und Raum zu transzendieren vermögen. Und zugleich sind wir zutiefst fehlerhaft und absolut miserabel darin, dieses fantastische Universum so zu sehen, wie es wirklich ist. Der erste Schritt zur wahren Aufklärung und Erleuchtung besteht darin, sich genau dieser Tatsache bewusst zu sein.“

Dazu liefert dieses hervorragend geschriebene Buch mehr als nur einen überaus lehrreichen und vergnüglich zu lesenden Beitrag, es präsentiert ein Sammelsurium erhellender Geschichten, die sich auch dadurch auszeichnen, dass sie vermeintlich Widersprüchliches nebeneinander stehen lassen. So wissen wir in der Rückschau, dass jede Wirkung eine Ursache hat, haben jedoch nicht das Gefühl, dass unser künftiges Handeln von Vergangenem abhängt.

Eine der zentralen Fragen, um die es in diesem Buch geht, betrifft den Determinismus: Ist alles vorherbestimmt oder verfügen wir über einen freien Willen? Das Problem dabei ist, „dass wir ganz und gar schlecht gerüstet sind, um die Frage zu beantworten.“ Richard Feinman, Nobelpreisträger für Physik, hat es einmal so formuliert: „The first principle is not to fool yourself. And you are the easiest person to fool.“

So recht eigentlich weiss ich nie so recht, weshalb mir gewisse Sätze hängenbleiben und andere, von denen ich gerne hätte, dass sie mir hängenbleiben würden, nicht. So erinnere ich mich in einem Philosophie-Buch gelesen zu haben, dass Platon nie gelacht haben soll – eine bleibende Erinnerung. Ich vermute, dass mich auch die Ausführungen von Hannah Fry und Adam Rutherford über Kolumbus fortan begleiten werden. Sie beginnen so: „Dass Christoph Kolumbus von Selbstzweifeln geplagt gewesen wäre, kann man nun wirklich nicht behaupten.“

Sicher, auch ein Griesgram wie Platon kann mit vielem Recht haben, ich selber ziehe es jedoch vor, auf Humor-begabte Menschen zu hören. Mir dies wieder einmal bewusst gemacht zu haben, gehört zu den Vorzügen dieses ausgezeichneten Buches.

"Man is made by his belief, as he believes so he is“ heisst es in der Bhagavad Gita. Leider, will ich da nur hinzufügen, denn der Unsinn, den der Mensch zu glauben imstande ist, ist so recht eigentlich uferlos. Man ist deshalb froh, dass sich zum Ausgleich und als Orientierungshilfe Der ultimative Guide zu absolut Allem* anbietet. “Wir wissen, dass sie glauben, einen freien Willen zu haben. Wir glauben das ja auch. Aber was wir glauben und was wirklich zutrifft, das sind oft zwei verschiedene Paar Schuhe.“ Am Rande: Wer an den bevorstehenden Weltuntergang glaubt, ist gut beraten, das Datum so festzulegen, dass er oder sie davon ausgehen kann, das mögliche Ausbleiben der Apokalypse nicht mehr mitbekommen zu müssen.

Der ultimative Guide zu absolut Allem* liefert wunderbar nützliche, höchst unterhaltsame und sehr englische, mit viel Witz gespickte Aufklärung, die es uns ermöglicht, die Dinge zu sehen wie sie sind, so wir denn die Bereitschaft mitbringen, dies überhaupt in Betracht ziehen zu wollen. Und wozu soll das gut sein? Es macht das Leben leichter ...

Hannah Fry & Adam Rutherford
Der ultimative Guide zu absolut Allem*
(*gekürzt)
C.H. Beck, München 2023

Wednesday, 19 March 2025

Im Westen Finnlands

Ende Januar, Anfang Februar 2009 verbrachte ich zwei Wochen im Westen Finnlands. Ich führte an der Fachhochschule in Nykarleby, das liegt eine Autostunde nördlich von Vaasa, einen Kurs zum Thema „Thinking Photography“ durch. Ich war noch nie in dieser Weltgegend, hatte mich auch vorgängig nicht wirklich darüber informiert, wo ich da hinkommen würde, nur über das Wetter hatte ich mich kundig gemacht, wusste also, dass es da kalt sein würde und so traf ich, mit einigen Pullovern im Gepäck, vor Ort ein, merkte dann aber sehr schnell, dass Pullover, Handschuhe und Mütze nicht wirklich nötig gewesen wären, denn ich verbrachte den grössten Teil meiner Zeit ohnehin drinnen und dort war es nicht nur warm, sondern heiss. Jedenfalls in meinem Zimmer, wo es eindeutig wärmer war als im südbrasilianischen Winter. In Brasilien sind nämlich Zentralheizungen unbekannt, in Finnland hingegen findet man sie meist voll aufgedreht. Im Kühlschrank fand ich dann einen Orangensaft gegen meinen Durst, er hiess „Brasil“.

In diesem Teil Finnlands spricht man hauptsächlich Schwedisch (93%, wurde mir gesagt), fühlt sich aber deswegen nicht weniger Finnisch; die Strassen sind in beiden Sprachen angeschrieben. Ob es da keine kulturellen Reibereien gebe? fragte ich die Schulsekretärin. Nicht bei denen, die beide Sprachen sprechen, antwortete sie.

Viel Tageslicht hat es nicht gerade; die Sonne geht so gegen neun Uhr auf und um vier Uhr wieder unter. Da habe man mehr Zeit, sich die Sterne anzugucken, emailte mir Elsa aus dem südlichen Brasilien. Der Gedanke gefiel mir und so ging ich raus und starrte zum Himmel hoch, doch Sterne waren da keine zu sehen, der Himmel war die ganze Zeit über bedeckt.

Was das Besondere hier in Westfinnland sei, fragte ich die Studentinnen (es gab auch Studenten, doch die Mehrzahl war weiblichen Geschlechts und stammte aus Finnland, Schweden und Norwegen). Die Stille, sagte einer. Von da ab achtete ich auf die Stille und fand sie magisch. Viele halten sie nicht aus, hörte ich später jemanden sagen.

Ich unterrichte, weil ich etwas lernen will. Und ich lernte viel in diesen zwei Wochen in Nykarleby. Ein Beispiel: Fotos scheinen ein Eigenleben zu haben, ja gleichsam über magische Kräfte zu verfügen, sagte ich, wer das nicht glaube, solle doch mal versuchen, ein Foto der eigenen Mutter zu nehmen und ihr die Augen rauszuschneiden. Ich fand dies ein Hammer-Beispiel (ich verdanke es W. J. Mitchell) und konnte mir nicht vorstellen, dass da jemand dagegen reden würde, doch ich hatte mich getäuscht. Eine der Studentinnen meinte, das sei überhaupt kein Problem, sie habe das gerade gemacht. Es sei ja mittlerweile bekannt, dass sie zurzeit nicht gerade ein glückliches Verhältnis zu ihren Eltern habe. Dem gebe sie dadurch Ausdruck, dass sie Fotos von ihnen zerschneide und Collagen draus mache.

Das Meer zwischen Finnland und Schweden sei auf dieser Höhe etwa 100 Kilometer breit, erfuhr ich. Und es ist zurzeit vereist. Lisen, eine Studentin, zeigte mir den Hafen. Als wir ankommen, geht gerade die Sonne unter – ein feuerroter Ball verschwindet im Schnee. Dass Lisen noch mehr beeindruckt ist als ich, macht mir klar, dass ich es mit einem nicht alltäglichen Ereignis zu tun habe. Wenig alltäglich – für mich jedenfalls – ist auch die Tatsache, dass da plötzlich ein Auto auftaucht und übers Eis in Richtung der nahe liegenden Inseln fährt. Die Winter seien ja auch nicht mehr, was sie einmal waren, sagt Lisen, doch früher seien einige mit dem Auto übers Eis nach Schweden hinüber gefahren.

Mein stärkstes Finnland-Bild ist jedoch ein gänzlich unspektakuläres: da mein Flug von Vaasa nach Helsinki frühmorgens geht, bringt mich Emma, die Dozentin, die meinen Aufenthalt organisiert hat, bereits am Vorabend nach Vaasa, wo ich in einem sehr schönen Hotel untergebracht werde. Der Blick aus dem Fenster morgens um fünf zeigt eine tief verschneite, von Strassenlampen erleuchtete, fast lautlose Stadt – es ist wie im Märchen, und es ist magisch. Und es ist dieses Bild, das ich heute hauptsächlich mit Finnland verbinde.

Sunday, 16 March 2025

On asking questions

Kane knew what he liked
(knowing what you liked was,
he felt, one of the most important
characteristics of a modern life well lived)
Nicola Barker: Darkmans (2007) 

"Is Google making us stupid," asked Nicholas Carr in the July/August 2008 edition of The Atlantic.com. Carr writes:

"Over the past few years I've had an uncomfortable sense that someone, or something, has been tinkering with my brain, remapping the neural circuitry, reprogramming the memory. My mind isn't going — as far as I can tell — but it's changing. I'm not thinking the way I used to think. I can feel it most strongly when I'm reading. Immersing myself in a book or a lengthy article used to be easy. My mind would get caught up in the narrative or the turns of the argument, and I'd spend hours strolling through long stretches of prose. That's rarely the case anymore. Now my concentration often starts to drift after two or three pages. I get fidgety, lose the thread, begin looking for something else to do. I feel as if I'm always dragging my wayward brain back to the text. The deep reading that used to come naturally has become a struggle."

Sounds familiar? In my case, yes, though, as usual it depends — what would we do without this fabulous expression "it depends," I wonder? — for there are still lengthy texts that I can quite easily concentrate on, provided they really interest me, are well written, in print — and that I'm far away from a computer.

Referring to the 1960s thesis of Marshall McLuhan, Carr points at the effects of the internet: "... media are not just passive channels of information. They supply the stuff of thought, but they also shape the process of thought. And what the Net seems to be doing is chipping away my capacity for concentration and contemplation."

Mine too. I mostly skim articles nowadays, and that includes this piece on skimming by Carr. However, when one of his sources complains that he cannot read War and Peace anymore, I wonder whether this really has to do with the internet — "not anymore"? How often did this guy read War and Peace already? Nevertheless, while the internet seems indeed to contribute to the general restlessness of our time, it at the same time appears to be just another expression of it. The slogan "We Want the World and We Want It Now" nowadays no longer seems to give voice just to adolescent longings but to be the accepted norm.

In order to get what we want, we do of course need to know what it is that we want. To muddle through does not seem to be an option — as a concept, that is. Nowadays, we need business plans, exposés, and dispositions. And, we need to be able to ask the right questions — otherwise Google can't really be of help. A bit of a vicious circle, isn't it? To be able to ask the right questions I need to know what I want yet if I don't know what I want I won't know what and how to ask.

Needless to say, to know what one wants is often helpful. As long as one is looking for the familiar, that is. And, there is of course no doubt that Google is a great research tool. One however shouldn't forget that it is based on data that are toneless, bloodless, and do not smell.

In real life — the one that can't be as planned, managed and controlled as quite some would wish — to know what one wants not only often overlooks what one needs, it also guarantees that one will most certainly miss all the things by the side of the road. Moreover, in real life we often simply do not know what we want — and that is of course a blessing: just think of all the things you wanted, and got, and that were not good for you.

One of the modern manifestations of our wants is the business plan — or, for the more literally minded, the exposé. Such a plan often represents nothing but what we nowadays call a vision — not so long ago, people who suffered from visions were put into psychiatric care — based on which banks grant loans and editors commission articles. I find this baffling. I mean a plan is nothing but a plan — even if you call it "realistic" — and more often than not just plain wishful thinking.

And, then there's the thing with "the right" and "the wrong" questions — "the right questions" are the ones we have answers for. It is worth noting however that when we say "this is a good question" we usually mean that we have no answer (or too many) for it. Yet in our efficiency-minded times, where the validity of a project depends on whether it is doable, questions such as "Where do we come from? What do we do here? Where do we go from here?" are considered interesting but — for the majority of us — impractical for we can't really answer them. Since this is difficult to accept, we make up reference points and thus create a world in which we are a bit less lost. As Sharon Cameron writes in Beautiful Work: A Meditation on Pain: "It is possible to think this: without a reference point there is meaninglessness. But I wish you'd understand that without a reference point you are in the real."

Our modern obsessions demand that we should know what we want and then stay focussed on our goals. Probably not as much as George Bush, Jr though — a man famous for knowing without asking questions — whom Stephen Colbert at the 2006 White House Correspondents' Association Dinner complimented for being "steady"? "Events can change," Colbert said, but "this man's beliefs never will. He believes the same thing Wednesday as he did Monday. No matter what happened Tuesday." In other words, to know what one wants and to pursue — or, in the case of Mister Bush, have others pursue — that goal vigorously often leads to disasters. As the wise joke goes: Do you know how to give God a good laugh? Just tell Him what your plans are.

2008 © Hans Durrer / Soundscapes