"Die einzigartige Zusammenarbeit zweier genialer Künstler", hat The Sunday Times diesen Reprint der Klassikers von Richard Avedon und James Baldwin aus dem Jahre 1964, inklusive Booklet mit unveröffentlichten Aufnahmen und einem Essay des Pulitzerpreisträgers Hilton Als genannt. Dabei herausgekommen ist ein höchst erstaunliches Werk und das hat auch damit zu tun, wie dieses Buch von Marvin Israel gestaltet worden ist. Ob er alleine oder zusammen mit seinen redaktionellen Mitarbeitern Marguerite Lamkin und David Baldwin dafür verantwortlich zeichnet, welches Bild neben welchem Bild und in welchem Format zu stehen gekommen ist, vermag ich nicht zu sagen, doch das Resultat empfand ich als schlicht umwerfend.
Dorothy Parker, Schriftstellerin / Marilyn Monroe, Schauspielerin
Die Buchseiten, die ich hier vorstelle, haben mich richtiggehend angesprungen. Die Idee, Dorothy Parker, von der ich Texte gelesen habe, an die ich mich nicht mehr erinnere, grossformatig gegenüber einem kleinformatigen Bild von Marilyn Monroe zu stellen, finde ich schlicht genial. Weil dieses so gestaltete Nebeneinander meine Sehgewohnheiten – Leinwandikonen werden im Gegensatz zu Schriftstellerinnen meist bildlich prominent ins Szene gesetzt – unterläuft (hier ist es umgekehrt) und ein anderers als das konditionierte Sehen erlaubt.
William Casby, als Sklave geboren / Adlai Stevenson, amerikanischer Chefdelegierter bei der Uno.
Von Adlai Stevenson weiss ich nur, dass er einmal auch Präsidentschaftskandidat der Demokraten gewesen ist und gesagt haben soll, dass die Qualitäten, die einen zu einem erfolgreichen Kandidaten machen auch die sind, die einen disqualifizieren, Präsident zu sein. Ich stelle mir vor, dass er sich für die Rechtlosen wie den abgebildeten William Casby eingesetzt hat. Auch hier bewirkt die Wahl des Formats, das ich prominent sehe, was selten prominent gezeigt wird. In unserer Gesellschaft werden die Kämpfer für eine gerechtere Welt mit Ruhm, Anerkennung und Rampenlicht belohnt; auf der oben abgebildeten Doppelseite wird der als Sklave geborene Willam Casby in den Vordergrund gerückt. Die Formatwahl verändert die Perspektive.
James Baldwin und Richard Avedon in Finnland
bei der gemeinsamen Arbeit an
Nothing Personal (wie
das Buch im englischen Original heisst), Juni 1964.
Das Amerika, das James Baldwin beschreibt, ist sehr verschieden von dem, das etwa der weit verbreitete Mythos von Helden zeichnet, die auszogen die Freiheit zu suchen. "Von entscheidender Bedeutung aber ist, dass dieses Land von einer verzweifelten, gespaltenen und raubgierigen Horde besiedelt wurde: von Menschen, die entschlossen waren, ihre Vergangenheit zu vergessen, und nicht minder entschlossen, Geld zu scheffeln. In dieser Hinsicht haben wir uns nicht geändert: man braucht nur Gesichter, unsere Kinder und die feindselige Hässlichkeit unserer Städte anzusehen. Ungeliebt von den Menschen, die sie bewohnen, herrscht in unseren Städten eine furchtbare Einsamkeit. Niemand empfindet, dass die Stadt ihm gehört. Verzweiflung: vielleicht sollten wir diese Verzweiflung untersuchen, falls wir glauben, dass noch Hoffnung auf Rettung besteht."
Das beigefügte Booklet mit bisher unveröffentlichten Abzügen (das nicht zuletzt aufzeigt, dass Büchermachen ein Prozess ist) ist eine wahre Schatztruhe und führt einem auch eindrücklich vor Augen, wie entscheidend die Bildauswahl ein Buch prägt.
Richard Avedon & James Baldwin
Im Hinblick
Taschen Verlag, Köln 2017