Im Grusswort des Direktors des Landesverbandes Westfalen Lippe (LWL) lese ich, dass den freischaffenden Fotografen Thomas Kalak "das ästhetische Spannungsfeld" zwischen prachtvoll arrangierten Bildbänden und rein illustrativen wissenschaftlichen Veröffentlichungen interessiere und will gleich gestehen, dass ich nicht wirklich verstehe, was ein ästhetisches Spannungsfeld sein soll und die Beschäftigung mit den Fotos in diesem Band, die derselbe Direktor treffend als "unaufgeregt und sachlich ... aber immer auch ein wenig geheimnisvoll" charakterisiert, hat mich diesbezüglich nicht weiser gemacht. Ausgelassen habe ich seine Bemerkung, Kalaks Blick hinter die Kulissen sei "fast dokumentarisch", denn fast dokumentarisch gibt es genauso wenig wie fast schwanger.
"Von überholten Klischees" ist ein zweites Grusswort betitelt, worin darauf hingewiesen wird, dass in der täglichen Arbeit der LWL-Archäologie Lösungswege gefunden werden müssen "zwischen Forschung, Zerstörung, Nutzung, Erhalt und touristischer Inwertsetzung archäologischer Fundstätten". Dann folgt ein Essay von Rasmus Kleine, der so beginnt: "Die Schlagzeile der Bild-Zeitung thematisiert die Euro-Krise, scheinbar verloren in der Landschaft ist eine mobile Toilette abgestellt und eine Playmobil-Figur, bewaffnet mit Speer und Schild, steht auf einem Schreibtisch – manch einer mag sich fragen, was diese vordergründig belanglosen Bilder mit Archäologie zu tun haben ...". Ich hätte mir darauf eine Antwort gewünscht, doch ausser dass etwa die Bild-Zeitung mit "den persönlichen Vorlieben der Menschen, die hinter dem Wissenschaftler stehen, zu tun haben", erfährt man da nichts.
Trotzdem: Rasmus Kleines Essay ist eine gelungene Einführung in diesen Band und so recht eigentlich eine gute Anleitung, wie dieses Werk von bleibendem Nutzen sein kann. Ohne diesen hilfreichen und nötigen Text wären Thomas Kalaks Bilder für einen Laien kaum verständlich, denn obwohl Kalak die Anordnung der einzelnen Bilder festgelegt hat, folgt er keiner "stringenten Logik", sondern sei "eher dramaturgisch-ästhetisch motiviert", meint Rasmus Kleine, der einfühlsam interpretiert und nachzuvollziehen versucht, was den Fotografen wohl geleitet haben mag. Ich finde das grösstenteils überzeugend, auch wenn er mit einem Satz endet, der nichtssagender und auch falscher nicht sein könnte: "Es gehört zur Stärke der Bilder, dass sie Geschichten in Gang setzen – und immer wieder dazu anregen, über die Entstehung von Geschichte nachzudenken." Bilder setzen keine Geschichten in Gang, Bilder lösen Gefühle aus. Ob wir diese in eine Geschichte zwängen wollen, ist eine ganz andere Frage.
Thomas Kalaks Aufnahmen haben mich neugierig gemacht, mich zu Fragen angeregt. Vor allem habe ich mich gefragt, weshalb er mir nicht sagt, was ihm bei den einzelnen Aufnahmen durch den Kopf gegangen ist. Ich weiss, ich weiss, er ist Fotograf, er zeigt mir, was er gesehen und eingerahmt hat. Sein Medium ist das Bild und nicht das Wort. Und zugegeben: mir gefällt vieles von dem, was meine Augen mir zeigen. Auch wenn mich diese weithin akzeptierte fotografische Praxis, bei der mir einfach Bilder vorgesetzt werden (was ist der Unterschied zu einem Kind, das auf etwas zeigt und "guck mal" sagt?), zunehmend irritiert. Obwohl: dass sich Thomas Kalak bei der Zusammenstellung dieses Bandes Gedanken gemacht hat, lässt sich aus der Gliederung ablesen.
Wir können nur er-kennen, was wir kennen, hat Goethe gesagt. Weshalb denn auch ein Bildband über Archäologie (von der ich so ziemlich gar nichts weiss), Erläuterungen und Erklärungen seitens des Fotografen verlangen. Dies gesagt, gebe ich gerne zu, dass zahlreiche Aufnahmen in diesem Band mich ganz einfach der Komposition wegen angesprochen haben.
Thomas Kalak
Archäologie
Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2014