Wednesday, 26 October 2016

Days in Sofia

As a rule, or so it seems, passengers get off planes in a hurry. Take your time, says the guy who is waiting for me to get my backpack from the overhead locker. A rather unusual comment, I remark. Well, I do not really understand why we are all constantly in a hurry, he replies. This was my introduction to Sofia ... it couldn't have started better.

My hotel offers a rich breakfast buffet including my beloved Bulgarian yoghurt; in my room I discover a panic button.
What brings you to Sofia?, asks the young student who heard me placing my order in a restaurant. A thriller, I said, written in the thirties or forties (Eric Ambler's The Mask of Dimitrios). I guess things have changed since then (apart from some backyards). Is there anything worth seeing not too far from here? He suggests Blagoevgrad, the city where he studies, about a hundred kilometers from Sofia. 

How long does the ride take?, I ask at the information window of the bus terminal. Three hours, the young lady says. Really? Two hours, she now offers. It eventually took one and a half hours.

The inner city is pleasant, lots of green and an inviting pedestrian zone. The youth of the town populate a cafe called Crystal. I' m the only oldie in the crowd.
Back in Sofia, I don't do sightseeing but wander aimlessly around town and sometimes wonder where my mind is taking me. In a cafe near the central railway station the sun falls on leaves on the sidewalk and for reasons unbeknownst to me I feel transported back in time to the streets of Edirne where I happened to be ten years ago although the scene then did not at all look the same ... but this was what came to mind ... life is simply more than strange and our cause-and-effect habit of thinking often useless.

In a restaurant near my hotel I order a cappuccino. One, says the young woman. Yes, one, I say, assuming her "one" is the equivalent of the  "only one?" which one regularly gets to hear in Thailand and always baffles me because why would I, if I'm there alone, order two? The Bulgarian "one" however wasn't a question but the price - the cappuccino cost one Lewa. 
In the center of Sofia booksellers arrive in the morning with chiquita boxes full of books and put them on display. The benches on the street are endowed with wooden spines of books. Wonderful!
Many black leather jackets, many torn jeans (even my middle aged taxi driver wore them. 'Rock', he said), many smokers, many elegantly dressed women. Quite some men searching through rubbish containers.

A monumental building near Serdika metro station. Ministry of Education, I remember reading. Franz Kafka came to mind. I imagine people getting swallowed up by such buildings.

Wednesday, 19 October 2016

Steve McCurry: Lesen

Real Gabinete Português de Leitura, Rio de Janeiro, Brasilien

Steve McCurry hat sich in diesem Band nicht, wie der Titel suggeriert, dem Lesen gewidmet, sondern den Lesenden. Genauer: Er hat Menschen über mehrere Jahrzehnte hinweg beim Lesen fotografiert. Ein überzeugender, ja, ein toller Ansatz, finde ich (weil ich aus Büchern viel gelernt habe und lerne), der verblüffende Resultate liefert, denn Menschen lesen offenbar liegend, stehend, sitzend, kniend, kauernd, ja, so recht eigentlich lesen sie in so ziemlich allen Lebenslagen. Und allüberall auf der Welt.
Rom, Italien

In seinem schönen Vorwort berichtet Paul Theroux von seinen Erfahrungen als Leser – viele davon teile ich, zum Beispiel diese hier: "Ohne es jemals so beabsichtigt zu haben, ist das, was ich gelesen habe, eine Möglichkeit, mich daran zu erinnern, wo ich gewesen bin, denn für mich ist das Lesen eines speziellen Buches mit ganz spezifischen Orten verknüpft." Sofort schiesst mir Ayn Rands "The Fountainhead" durch den Kopf, auf Ibiza war das, vor ganz vielen Jahren, doch immer noch ist mir höchst präsent, wie ich sogar während ich auf den Bus zum Strand wartete, nicht davon ablassen konnte. Ähnlich intensiv erlebte ich auch "Krieg und Frieden" im chinesischen Quanzhou.
Bentota, Sri Lanka

Die Kamera sei ein Instrument, welches sie das Sehen ohne Kamera lehre, meinte Dorothea Lange einmal. Eine ganz wunderbare Illustrationen dieser These ist die Aufnahme aus Bentota, Sri Lanka, bei der mir, wüsste ich nicht, dass es dem Fotograf darum zu tun war, das Lesen abzubilden, womöglich ganz anderes als die lesende junge Frau aufgefallen wäre, obwohl sie doch im Zentrum des Bildes steht. Und in der Tat registrierten meine Augen zuallererst den Elefanten, dann das Meer, gefolgt vom schwimmenden jungen Mann und schliesslich vom Kellner. Wobei: ich kann nicht wirklich sagen, wie und was meine Augen in welcher Reihenfolge wahrnehmen; ich interpretiere dies im Nachhinein. Genauso verfahre ich mit der Absicht des Fotografen, von der ich gar nicht wissen kann, ob er wirklich die lesende Frau im Fokus hatte oder ob er dies erst im Nachhinein entdeckte.
Goa, Indien

Lesen sei eine ernste Angelegenheit, notiert Paul Theroux, und erfordere "geistige Anstrengung, Konzentrationsfähigkeit, eine wache Neugier und Intelligenz, und ausserdem muss man auch allein sein können (...) doch einsam oder gelangweilt sind Leser selten, denn Lesen ist eine Zuflucht und eine Erleuchtung, eine Erfahrung, die zuweilen offen zutage tritt."
Chiang Mai, Thailand

Es ist ungemein anrührend diese so ganz unterschiedlichen Momente tiefsten Für-Sich-Seins, das sich darin äussert, dass man sich selber vergessen zu haben scheint, zu betrachten. Selten fand ich Steve McCurrys Aufnahmen überzeugender komponiert und gelungener zusammengestellt als in diesem Band.

Steve McCurry
LESEN
Eine Leidenschaft ohne Grenzen
Mit einem Vorwort
von Paul Theroux
Prestel Verlag, München/London/New York 2016

Wednesday, 12 October 2016

Paul Parin als Fotograf

Der Mann hat ein gutes Auge, denke ich so beim ersten Durchblättern, wenn auch mehr für Gesichter als für Komposition. Und so bin ich denn auch nicht weiter erstaunt, als ich im Prolog zu Augen Blicke West Afrika lese, Paul Parin und seine Frau Goldy Parin-Matthéy seien "Augentiere" gewesen. Erstaunt war ich hingegen, dass in einem Band mit dem Untertitel Paul Parin als Fotograf nicht wirklich mit Bestimmtheit gesagt werden kann, von wem die Aufnahmen eigentlich stammen.

"Die Bilder müssen – wie ihre Feldforschungen – wohl als Gemeinschaftsprojekt des Kleeblatts Parin-Matthéy-Morgenthaler betrachtet werden. Der Autor des Grossteils der in diesem Band präsentierten Fotos ist gewiss Paul Parin, manche Bilder stammen von Fritz Morgenthaler (FM), einige wenige werden wohl auch Ruth Morgenthaler und Goldy Parin-Matthéy, vielleicht auch afrikanische Gesprächspartner fotografiert haben."

Ich habe herzlich gelacht, als ich das gelesen habe und war dann doch etwas verwundert, dass in den erklärenden Texten unisono davon ausgegangen wird, dass Paul Parin die Bilder gemacht hat. So schlägt etwa Thomas G. Kirsch in seinem Betrag "Fotografien als wissenschaftliche Metaphern" eine (mir einleuchtende) Lesart von Parins Fotografien vor, die vor allem damit zu tun hat, was er über Parin und seinen Forschungsansatz weiss. Anders gesagt: Kirsch bringt zum Bild, was er von Parin kennt. Und wenn der Fotograf gar nicht Parin gewesen ist?

Auch für die anderen Beiträger zu diesem Band gilt, dass sie das, was sie von Paul Parin wissen oder zu wissen glauben, in die Aufnahmen hineinlesen. Das ist auch gar nicht zu vermeiden. So schreibt etwa Margit Zuckriegel: "... auf seinen Reisen entwickelte er eine Art von Fotografie, die seinem persönlichen Sehen entsprach: er wollte ohne moralischen Anspruch und ohne die kolonial-ethnographisch orientierte Wissenschaftsfotografie zu tradieren ein Bildervokabular erarbeiten, das parallel zu seinen Forschungen und zu seinem autobiografischen Werk vorangetrieben wurde." Da ich das für sehr plausibel halte, finde ich auch die entsprechende Bestätigung in den Bildern. Gefragt habe ich mich allerdings, ob er "eine Art von Fotografie, die seinem persönlichen Sehen entsprach" wirklich entwickeln musste. Oder andersrum: eine Fotografie, die nicht einem persönlichen Sehen entspricht ist mir eigentlich nicht vorstellbar.

Hervorzuheben und zu begrüssen ist, dass die verschiedenen Texte in diesem Band sich mit den Fotos und der Fotografie (auch wenn ich Cartier-Bressons Theoretisieren, im Gegensatz etwa zu Karl Mätzler und Gesine Krüger, schlicht nicht mehr Ernst nehmen kann, seitdem ich einmal in einer Filmdokumentation gesehen habe, wie er die Leute überrumpelt, um zu seinen Fotos zu kommen) auseinandersetzen. Das ist gemäss meiner Erfahrung bei Fotobüchern eher selten. Gewünscht hätte ich mir jedoch, die Auswahl hätte sich stärker an der Bildqualität orientiert. Bei einigen Aufnahmen ist sie derart schlecht, dass die abgebildeten Gesichter nur zu erahnen sind.

PS: Auch wenn ich die Cover-Abbildung für die weitaus gelungenste Aufnahme erachte, so empfiehlt es sich doch, auch bei der Umschlagsrückseite zu verweilen, die einen glänzenden Schnappschuss des Ehepaars Parin-Matthéy zeigt.

Michael Reichmayr (Hg.)
Augen Blicke West Afrika
Paul Parin als Fotograf
Psychosozial-Verlag, Giessen 2016

Wednesday, 5 October 2016

Photographs are time travel devices







When once again visiting Copenhagen (end of September 2016), my hosts took me to places I hadn't previously seen. The pictures above depict what I then decided to frame. Most of them could have probably been taken almost anywhere in Northern Europe during that time of the year. Well, they weren't and that is what makes them special to me for they influence my memory of what it felt while being there. Differently put: often, photographs simply trigger emotions that transport you back to the time they were taken, they are time travel devices.