Helge Timmerberg, geboren 1952 im hessischen Dorfitter, schreibt
Reisereportagen. „African Queen“ handelt von den sieben Monaten,
die er auf dem afrikanischen Kontinent verbrachte. Und von der Liebe
zur Österreicherin Lisa, die so recht eigentlich der Grund war für
diese Reise nach Afrika.
„Lisa nimmt meine Hand und sagt nichts. Ich schliesse mich ihrem
Schweigen an, obwohl es mich drängt, ihr zum zweiten Mal dafür zu
danken, dass sie mich nach Afrika gebracht hat. Ich hatte mich nicht
nur dagegen gewehrt, sondern auch einiges dafür getan, sie von der
Reise abzuhalten. Weil ich dachte, dass ich überreist bin. Weil ich
glaubte, nicht mehr neugierig zu sein. Und weil mir dieser Kontinent
am Arsch vorbeiging. Sie war stärker als ich, und jetzt freue ich
mich über meine Schwäche, denn eine Fahrt durch das ländliche
Afrika um diese Uhrzeit gehört zur Champions League der
Reiseeindrücke.“
Lisa ist 25 Jahre jünger als Helge („ein Vierteljahrhundert“,
in den Worten von Timmerberg), das bringt viel Farbe in diese
Geschichte – mit der Botschaft der Hormone gehen die beiden
gelegentlich etwas eigenwillig um. „Zurück in der Kabine,
variieren wir das Thema Liebe auf unsere Weise. Ich liege lange wach
auf meiner Pritsche und bin so scharf wie Nachbars Zierfische, aber
will Lisa nicht belästigen, weil ich glaube, dass sie schläft. Und
Lisa erzählt mir am nächsten Morgen, dass sie ebenfalls die halbe
Nacht wachgelegen hat und mich nicht wecken wollte. Liebe ist, wenn
beide unbefriedigt bleiben. Und so beginnt ein weiterer,
wunderschöner Tag in Afrika.“
Timmerberg schreibt nicht nur witzig, er schreibt auch sehr
informativ. Ich habe mal in Malawi gearbeitet, weiss auch, dass der
Malawisee beeindruckend lang ist, doch dass er 570 Kilometer lang und
75 Kilometer breit und bis zu 704 Metern tief ist, erinnerte ich
nicht mehr. Total neu war mir, dass es sich bei diesem Gewässer um
das fischartenreichste der Erde handelt. „Vierhundertfünfzig Arten
insgesamt, Buntbarsche, Nilhechte, Welse, Karpfen, Salme und diese
kleinen Flitzer, deren Namen ich vergessen habe, die aber weltweit
als der Mercedes unter Aquaristen gelten.“
In fremden Weltgegenden unterwegs zu sein, ist nicht immer
ungefährlich. So beschreibt Timmerberg Lilongwe, Malawis Hauptstadt,
als für afrikanische Verhältnisse („Von den zehn gefährlichsten
Städten der Welt sind zehn in Afrika ...“) sehr sicher, obwohl es
auch da No-Go-Areas gibt, und Maputo, Mosambiks Hauptstadt, als nicht
gerade in diese Kategorie gehörig. Und was heisst das nun, wenn man
auf zwei junge Männer (der Lächelnde und der Finsterling) aus
Maputo trifft und sonst niemand in der Nähe ist? „Das heisst
nicht, dass in Maputo jeder junge Mann ein Strassenräuber ist. Es
heisst auch nicht, dass in Maputo jeder junge Mann, der kein
Strassenräuber ist, in einer Situation wie dieser vielleicht nicht
doch schwach werden würde. Das heisst lediglich, dass man in Maputo
nicht ohne triftigen Grund in einer Gegend spazieren gehen sollte, in
der es, so weit das Auge reicht, niemanden sonst gibt als zwei Jungs
wie diese.“ Und was macht man, wenn man auf Likoma Island zwei
solcher Jungs trifft? „African Queen“ lesen!
An einem Strand in Dakar wird er reingelegt.
Und ärgert sich schwarz. Über sich. „Anfänger! Esel! Blöder
Tourist! Goldhäschen, Volltrottel, Europäer! Das schlechte Gewissen
der exkolonialen Rasse zollt Leuten Respekt, die absolut keinen
Respekt vor mir haben. Ich kenne das seit dreissig Jahren. Wie lange
muss ich noch reisen, um darauf nicht mehr reinzufallen? Vergiss es,
schwör dir nichts, sonst ärgerst du dich beim nächsten Mal noch
mehr als jetzt. Was du jetzt brauchst sind keine guten Vorsätze,
sondern ein Drink.“
Kurz darauf, stosse ich auf einen meiner Lieblingssätze in diesem
Buch: „Aberglaube unterscheidet sich vom rechten Glauben nur
unwesentlich, was den ihm innewohnenden Unsinn angeht.“ Und kurz
darauf auf diese mich recht nachdenklich machende Erkenntnis: „Ich
bin zu höflich für Afrika.“
Helge Timmerberg ist ein guter Geschichtenerzähler und „African
Queen“ ist denn auch voller guter Geschichten. Über „das Auf und
Ab der Liebe, über die Grenzüberschreitungen des Ego, über die
Angst“. Über seine Erfahrungen mit Voodoo und seinen Glauben an
„die profane, unsentimentale Wissenschaft“. Und über die
Unberechenbarkeit der Frauen und und und ... Und dann ist da noch die
unglaublich berührende Geschichte des zierlichen roten Schuhs,
derentwegen dieses Buches schon ganz allein lohnt!
Helge Timmerberg
African Queen
Ein Abenteuer
Rowohlt Berlin, 2012
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