Wednesday 9 December 2020

African Queen

 
Helge Timmerberg, geboren 1952 im hessischen Dorfitter, schreibt Reisereportagen. „African Queen“ handelt von den sieben Monaten, die er auf dem afrikanischen Kontinent verbrachte. Und von der Liebe zur Österreicherin Lisa, die so recht eigentlich der Grund war für diese Reise nach Afrika.
„Lisa nimmt meine Hand und sagt nichts. Ich schliesse mich ihrem Schweigen an, obwohl es mich drängt, ihr zum zweiten Mal dafür zu danken, dass sie mich nach Afrika gebracht hat. Ich hatte mich nicht nur dagegen gewehrt, sondern auch einiges dafür getan, sie von der Reise abzuhalten. Weil ich dachte, dass ich überreist bin. Weil ich glaubte, nicht mehr neugierig zu sein. Und weil mir dieser Kontinent am Arsch vorbeiging. Sie war stärker als ich, und jetzt freue ich mich über meine Schwäche, denn eine Fahrt durch das ländliche Afrika um diese Uhrzeit gehört zur Champions League der Reiseeindrücke.“

Lisa ist 25 Jahre jünger als Helge („ein Vierteljahrhundert“, in den Worten von Timmerberg), das bringt viel Farbe in diese Geschichte – mit der Botschaft der Hormone gehen die beiden gelegentlich etwas eigenwillig um. „Zurück in der Kabine, variieren wir das Thema Liebe auf unsere Weise. Ich liege lange wach auf meiner Pritsche und bin so scharf wie Nachbars Zierfische, aber will Lisa nicht belästigen, weil ich glaube, dass sie schläft. Und Lisa erzählt mir am nächsten Morgen, dass sie ebenfalls die halbe Nacht wachgelegen hat und mich nicht wecken wollte. Liebe ist, wenn beide unbefriedigt bleiben. Und so beginnt ein weiterer, wunderschöner Tag in Afrika.“

Timmerberg schreibt nicht nur witzig, er schreibt auch sehr informativ. Ich habe mal in Malawi gearbeitet, weiss auch, dass der Malawisee beeindruckend lang ist, doch dass er 570 Kilometer lang und 75 Kilometer breit und bis zu 704 Metern tief ist, erinnerte ich nicht mehr. Total neu war mir, dass es sich bei diesem Gewässer um das fischartenreichste der Erde handelt. „Vierhundertfünfzig Arten insgesamt, Buntbarsche, Nilhechte, Welse, Karpfen, Salme und diese kleinen Flitzer, deren Namen ich vergessen habe, die aber weltweit als der Mercedes unter Aquaristen gelten.“

In fremden Weltgegenden unterwegs zu sein, ist nicht immer ungefährlich. So beschreibt Timmerberg Lilongwe, Malawis Hauptstadt, als für afrikanische Verhältnisse („Von den zehn gefährlichsten Städten der Welt sind zehn in Afrika ...“) sehr sicher, obwohl es auch da No-Go-Areas gibt, und Maputo, Mosambiks Hauptstadt, als nicht gerade in diese Kategorie gehörig. Und was heisst das nun, wenn man auf zwei junge Männer (der Lächelnde und der Finsterling) aus Maputo trifft und sonst niemand in der Nähe ist? „Das heisst nicht, dass in Maputo jeder junge Mann ein Strassenräuber ist. Es heisst auch nicht, dass in Maputo jeder junge Mann, der kein Strassenräuber ist, in einer Situation wie dieser vielleicht nicht doch schwach werden würde. Das heisst lediglich, dass man in Maputo nicht ohne triftigen Grund in einer Gegend spazieren gehen sollte, in der es, so weit das Auge reicht, niemanden sonst gibt als zwei Jungs wie diese.“ Und was macht man, wenn man auf Likoma Island zwei solcher Jungs trifft? „African Queen“ lesen!

An einem Strand in Dakar wird er reingelegt. Und ärgert sich schwarz. Über sich. „Anfänger! Esel! Blöder Tourist! Goldhäschen, Volltrottel, Europäer! Das schlechte Gewissen der exkolonialen Rasse zollt Leuten Respekt, die absolut keinen Respekt vor mir haben. Ich kenne das seit dreissig Jahren. Wie lange muss ich noch reisen, um darauf nicht mehr reinzufallen? Vergiss es, schwör dir nichts, sonst ärgerst du dich beim nächsten Mal noch mehr als jetzt. Was du jetzt brauchst sind keine guten Vorsätze, sondern ein Drink.“

Kurz darauf, stosse ich auf einen meiner Lieblingssätze in diesem Buch: „Aberglaube unterscheidet sich vom rechten Glauben nur unwesentlich, was den ihm innewohnenden Unsinn angeht.“ Und kurz darauf auf diese mich recht nachdenklich machende Erkenntnis: „Ich bin zu höflich für Afrika.“

Helge Timmerberg ist ein guter Geschichtenerzähler und „African Queen“ ist denn auch voller guter Geschichten. Über „das Auf und Ab der Liebe, über die Grenzüberschreitungen des Ego, über die Angst“. Über seine Erfahrungen mit Voodoo und seinen Glauben an „die profane, unsentimentale Wissenschaft“. Und über die Unberechenbarkeit der Frauen und und und ... Und dann ist da noch die unglaublich berührende Geschichte des zierlichen roten Schuhs, derentwegen dieses Buches schon ganz allein lohnt!

Helge Timmerberg
African Queen
Ein Abenteuer
Rowohlt Berlin, 2012

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